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DAS 5. OPFER

DAS 5. OPFER

Titel: DAS 5. OPFER
Autoren: Jennifer McMahon
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Wenn ich Charlie nicht gesagt hätte …«
    Stu unterbrach sie. »Er ist nicht tot, Regina.«
    Sie blickte auf, wischte sich die Augen aus, ihr Herz flatterte hoffnungsvoll. »Sie meinen, er ist okay?«
    Stu warf ihr einen ernsten Blick zu. Sein Gesicht war in letzter Zeit so sehr gealtert. Dunkle Schatten mit Tränensäcken hingen unter seinen Augen. »Nein«, sagte er. »Sein Kopf wurde schwer verletzt. Die Ärzte können nichts tun.«
    »Also wird er sterben?«
    »Das denke ich nicht. Aber es besteht die große Wahrscheinlichkeit, dass er nicht mehr laufen wird. Oder sprechen. Er wird nie mehr derselbe sein, Reggie. Er wird schwer behindert sein. Verstehst du?«
    Das leichte, flatterige Gefühl in ihrer Brust verwandelte sich, fühlte sich jetzt an, als hätte eine Abrissbirne sie dort getroffen. »Es ist schlimmer, als tot zu sein«, murmelte sie.
    Stu antwortete nicht. Sie sahen einander eine Weile an, keiner von ihnen sprach. Reggie stellte sich Sid in einem Krankenhausbett vor, an einem Tropf und einem Sauerstoffschlauch hängend, den Kopf mit einem weißen Verband umwickelt wie bei einem Swami – ein Gras rauchender Mystiker auf einer transzendentalen Reise aus der er nie erwachen würde.
    Und es war alles ihre Schuld.
    »Die Sache ist die«, sagte Stu; seine Stimme war leise, als er sich weiter zu ihr vorbeugte, sein Atem ging jetzt schnell. Er roch nach abgestandenem Schweiß, Kaffee und Zigaretten. Reggie war sicher, dass er letzte Nacht nicht geschlafen hatte und vermutlich noch die Kleider von gestern trug. »Es wird keine Strafanzeige erstattet werden. Die polizeiliche Untersuchung wird angeben, dass er allein auf dem Parkplatz war, als er stolperte und fiel.«
    »Aber das ist nicht das, was passiert ist!« So etwas taten Cops nicht. Sie waren die Guten. Sie sollten die Wahrheit aufdecken, nicht Lügen erzählen.
    Stu nickte.
    »Ist es nicht schlimm genug, dass ein Leben ruiniert worden ist?«, fragte Stu.
    »Aber wir waren alle dort!«, entgegnete Reggie. »Wenn wir ihn nicht allein gelassen hätten, wenn wir sofort Hilfe geholt hätten …«
    Er hielt seine Hände hoch, in einer Geste, die ihr bedeutete, aufzuhören. »Was geschehen ist, ist geschehen«, sagte er mit fester, autoritärer Stimme. »Also, ich möchte Folgendes von dir. Hörst du zu, Reggie? Denn das ist wichtig.«
    Sie nickte schwach.
    »Ich will, dass ihr Kids euch von Sid fernhaltet. Und auch voneinander.«
    »Aber Charlie …«
    »Kein Aber. Mein Sohn wird ein normales Leben führen. Er geht im Herbst auf die Highschool. Er wird sich den Hintern abarbeiten, um gute Noten zu bekommen, vielleicht ein bisschen Ball spielen, auf ein gutes College kommen. Ich werde nicht zulassen, dass das sein Leben ruiniert.« Stu biss praktisch auf seine Worte, zermahlte sie und spuckte sie aus.
    »Es ist das Beste, wenn ihr jetzt alle eine kleine Auszeit voneinander nehmt«, fuhr er fort. »Und nach allem, was mit deiner Mutter geschehen ist, denke ich, dass du ein wenig Zeit zu Hause verbringen solltest. Deine Tante braucht dich.«
    »Weiß sie von dem, was mit Sid passiert ist? Haben Sie es ihr erzählt?«
    Stu schüttelte den Kopf. »Wie gesagt, es gibt nichts zu erzählen. Sidney ist gestolpert und gefallen. Er war allein auf dem Parkplatz. Er hatte ein paar Drinks gehabt und ein wenig Gras geraucht. Er stieß an eine unebene Stelle auf dem Pflaster, verlor das Gleichgewicht und fiel rückwärts. Unfälle passieren. Verstehst du das?«
    Reggie nickte, aber die Wahrheit war, dass sie es überhaupt nicht verstand.
    War es wirklich möglich, die Vergangenheit auf diese Weise neu zu erfinden? Reggie dachte an die jahrelangen Lügen, die sie sich über ihre Mutter angehört hatte, wie begierig sie darauf gewesen war, sie zu glauben, wo die Wahrheit ihr nun doch so offensichtlich erschien. Hätte sie nicht misstrauisch werden sollen, als ihre Mutter sie nie auch nur zu einem ihrer Stücke einlud, Reggie nie auch nur einen ihrer exzentrischen Theaterfreunde treffen ließ? Vielleicht lief es darauf hinaus, dass die Leute glauben, was sie glauben wollen.
    »Und du wirst für eine Weile weder Charlie noch Tara kontaktieren, alles klar? Keine Besuche, keine Anrufe.«
    »Alles klar«, stammelte sie.
    »Gutes Mädchen«, sagte er. »Kann ich dich nach Hause mitnehmen?«
    »Das ist schon in Ordnung, ich werde zurückfahren.«
    Sie stieg auf ihr Rad und dampfte ab.
    »Reggie«, rief er, und sie trat auf die Bremse und sah zu ihm zurück. »Neptuns andere Opfer
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