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Das 5. Gebot (German Edition)

Das 5. Gebot (German Edition)

Titel: Das 5. Gebot (German Edition)
Autoren: Nika Lubitsch
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Die Mailbox schaltete sich ein. Vicky drückte die Auflegetaste. Das Klingelgeräusch erstarb. Vielleicht war er unter der Dusche und konnte sie nicht hören. Vicky versuchte es noch mal. Wieder drang aus dem Garten ein Klingelgeräusch. Vicky öffnete das Fenster. Ja, da unten an der Grenze zum Nachbargrundstück klingelte es. George ging immer noch nicht an den Apparat. Vicky legte erneute auf. Es hörte auf, im Garten zu klingeln. Vicky drückte die Wahlwiederholungstaste. Und wieder klingelte es unter den rot blühenden Kastanien.
    Panik stieg in Vicky hoch. George! War er in den Garten gegangen und war ihm dort etwas zugestoßen? Sie steckte ihr Handy ein und verließ die Wohnung. So schnell sie konnte, lief sie in das Kellergeschoss. Von dort erreichte man nicht nur die Tiefgarage, sondern auch den Garten. Als sie die Treppe zum Garten hoch eilte, sah sie aus den Augenwinkeln durch das Garagenfenster Georges Range Rover in der Garage stehen. Vicky drückte wieder die Rückruftaste. Am Ende des Gartens, vor dem Zaun zum Nachbargarten, war ein kleiner Wald stehen geblieben: ein paar Kastanien, eine Eiche, Scheinjasminbüsche und Flieder, der sich gerade anschickte, zu blühen. Vicky folgte dem Klingelgeräusch. Als der Anrufbeantworter ansprang, legte sie auf und wählte erneut. Sie bahnte sich ihren Weg durch die ebenfalls blühenden Zierkirschensträucher und kämpfte sich durch den von trockenen Eichenblättern und blühendem Bärlauch bedeckten Boden, immer in Richtung des klingelnden Handys. Kurz vor dem Zaun, der, wie sie wusste, an der Ecke ein großes Loch hatte, blieb sie an einem amerikanischen Wildkirschbaum mit ihrem T-Shirt hängen. Das Klingeln war nun ganz nahe. Da löste sich ein Schatten hinter der Kastanie. Vicky schrie auf und trat die Flucht nach vorn an. Denn zurück konnte sie auf keinen Fall, der Schatten war kurz hinter ihr.
    „Hallo, so bleiben Sie doch stehen“, rief der Schatten.
    Nichts hatte Vicky weniger im Sinn. Sie rannte auf das Loch im Gartenzaun zu, als sie von hinten gepackt wurde. Vicky wehrte sich, so gut sie konnte, und trat dem Schatten mit den Hacken in die Weichteile. Der Schatten schrie auf und ließ kurz von ihr ab. Vicky wand sich los und lief weiter, duckte sich, um durch das Loch im Gartenzaun zu gelangen. Das Klingelgeräusch war verstummt. Sie schlüpfte durch den Zaun, ihr Schatten war ihr keuchend auf den Fersen. Als sie wieder auf die Beine kam, schaute sie in den Lauf eines Gewehrs.

59. Charlottenburg
     
    Wie gut, dass Samstag war. Alle hatten frei. Er saß in seinem ehemaligen Büro und wartete. Neumann hatte alles vorbereitet. Gründlich und akkurat. Wie immer. Er hatte Michael einbestellt. Ob er etwas ahnen würde? Oh ja, er wusste sehr wohl, dass er Michael von oben herab behandelte. Dass es seinen Neffen wurmte, wenn er von allen in der Firma als Der Boss bezeichnet wurde. Dafür konnte er nichts. Menschen haben nun mal Autorität. Oder eben nicht. Michael hatte sich nicht den Respekt seiner Mitarbeiter verdient. Sie betrachteten ihn als Parvenü, unabhängig davon, ob sie schon unter ihm gearbeitet hatten oder von Michael selbst eingestellt worden waren. Michael verlangte Anerkennung, Respekt und Loyalität von seinen Mitarbeitern, aber er war nicht bereit, ihnen das Gleiche entgegenzubringen. Das mögen Menschen nicht. Dabei war Michael nicht einmal ein schlechter Betriebswirt. Aber er war ein Menschenverächter. Menschenverächter sollten nicht Chef werden. Gerhard hatte schon von seinem Vater gelernt, dass er für jeden Einzelnen, der für ihn arbeitete, verantwortlich war. Dass die Firma etwas Größeres war als man selbst, etwas, das in jedem Falle und mit jedem Einsatz am Leben erhalten werden musste. Die Firma war kein Eigentum, sie war etwas Geliehenes, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde. So war er erzogen worden. Warum hatte er Petra nicht auch so erzogen? Weil sie ein Mädchen war. So wie Verena. War früher so.
    Gerhard hörte, wie die Tür zum Sekretariat geöffnet wurde. Er fühlte das kalte Eisen in seiner Hosentasche. Michael öffnete mit Schwung die Tür zu seinem Zimmer. Als er Gerhard in seinem Besucherstuhl sitzen sah, schrak er zusammen. „Du bist schon hier!“
    „Setz dich“, herrschte Gerhard ihn an. Michael lief um seinen riesigen Kirschholzschreibtisch herum und setzte sich.
    Er sieht ganz klein dahinter aus, dachte Gerhard. Der Schreibtisch ist eine Nummer zu groß für ihn.
    „Möchtest du etwas
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