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Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman

Titel: Darling, ich bin deine Tante Mame! - Roman
Autoren: Wilhelm-Goldmann-Verlag
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Zeitraum von knapp sechs Wochen war Tante Mame als Revuetänzerin in dem Musical Chu Chin Chow aufgetreten, bis mein Vater das spitzkriegte und Druck von Seiten der Familie ausgeübt wurde. Seitdem hatte sie nie wieder eine Hand gerührt, außer um ihre berühmten Gincocktails zu mixen.
    » Genau, das ist die Lösung. Deine arme Tante Mame muss wieder arbeiten gehen– sich einen Job suchen, wo es schon Millionen Arbeitslose gibt–, damit wir uns über Wasser halten und weiterhin Kleider am Leib tragen können. Aber mach dir keine Sorgen, mein Schatz, Tante Mame wird schon was finden, und wenn sie putzen gehen muss. « Früh am Abend zog sie sich mit dem Anzeigenteil der New York Times zurück.
    Am Tag darauf hielten wir wie üblich um ein Uhr unsere » Kleine allmorgendliche Plauderstunde « ab. Um meine Tante herum lagen verstreut Unmengen gelber Notizblätter, voll gekritzelt mit Namenslisten. » Willst du eine Party geben? « , fragte ich.
    » Ganz sicher nicht! « , erwiderte sie schnippisch. » Das heißt, mal sehen– wenn ich mir ein Geschäft aufgebaut habe, dann gibt es vielleicht eine kleine Feier. Diese Namen hier, das sind alles wertvolle Kontakte, alles Freunde von mir, die gut situiert sind. « Selbstzufrieden raschelte sie mit der New York Times. » Von den Jobs in den Stellenanzeigen interessiert mich eigentlich keiner. Kellnerin, Verkäuferin, Aushilfe in der Fabrik, Stenotypistin– nichts dabei, für das ich mich erwärmen könnte. Nein, nein, mein Schatz, nicht was man kann, bringt einen in dieser Stadt weiter, sondern wen man kennt. Und Verbindungen, die habe ich, weiß Gott. Wer weiß « , sagte sie, » bestimmt gibt es viele Firmen in New York, die mich mit Kusshand nehmen würden, wenn sie wüssten, dass ich dem Arbeitsmarkt zur Verfügung stünde. Deswegen habe ich schnell mal diese Liste mit den Namen einiger einflussreicher Freunde gemacht, um ihnen mein Interesse kundzutun. «
    An diesem Tag tätigte Tante Mame viele lange und laute Telefonanrufe. Der erste galt ihrem Börsenmakler Florian McDermott. Ausführlich erzählte sie ihm die Geschichte ihres Finanzkollapses, obwohl es bei dem Mann, der weitgehend dafür verantwortlich zeichnete, eigentlich unnötig war, dermaßen in Details zu gehen. Sie fragte Florian, ob sein Büro nicht an einer geschäftstüchtigen Frau interessiert sei, die im Umgang mit großen Geldsummen geübt sei. Er erwiderte jedoch rasch, man würde gerade » Personal abbauen « , und schwatzte ihr einige Hundert » absolut todsichere « Aktien auf. Zwei Monate später teilte sich Florian eine Zelle mit einem berühmten Makler, den unter normalen Umständen kennen zu lernen er sich vorher nie erträumt hätte.
    Da alle ihre anderen Freunde aus der Finanzwelt ebenfalls » einsparten « , entschied Tante Mame, dass ihre Zukunft in der Kunst läge.
    Am nächsten Tag speiste sie mit Frank Crowninshield zu Mittag und kam, die Zusage für einen Job als Werbetexterin bei Vanity Fair in der Tasche, überglücklich nach Hause. Das Gehalt betrug vierzig Dollar die Woche– genau die Summe, die sie Norah und Ito zahlte–, aber sie wusste, sie würde » sich hocharbeiten « . Als Berufskleidung, die sie im Büro der Zeitschriftenredaktion tragen wollte, bestellte sie mehrere adrette Kostüme und einige neue Hüte. Ich wurde ganz ins Internat gesteckt, und Tante Mame nahm ihr Berufsleben auf.
    Im Herbst 1930 konnte ich nur auf Tante Mames Briefe zurückgreifen, die mir ein dramatisches– wenn auch voreingenommenes– Bild ihrer diversen beruflichen Unternehmungen vermittelten. Den Job bei Vanity Fair hatte sie nur einen Monat. Dann luden Mr. Crowninshield und Mr. Nast sie wieder zum Lunch ein und sagten, ihre Artikel seien ungenau, dabei durchaus geistvoll, und sowieso, sie würden ihr Personal abbauen. Als Trost bildeten sie ein ganzseitiges Foto von ihr in einem dreihundert Dollar teuren Jeanne-Lanvin-Abendkleid ab, das sie sich von dem Geld ihrer Abfindung und einem kleinen Wettgewinn beim Pferdelotto kaufte. Mr. Crowninshield sagte noch, sie sei eine viel zu attraktive Frau, um frei herumzulaufen, und sie sollte heiraten und einen Hausstand gründen.
    Ihr nächster Job hatte ebenfalls etwas mit Literatur zu tun, aber sie hatte ihn nicht mal so lange inne wie den ersten. Sie wurde Lektorin im Horace Liverights Verlag. Mr. Liveright war ein alter Bekannter von ihr, und obwohl er und Tante Mame immer wieder aneinandergerieten, hatten sie doch Hochachtung vor dem Verstand des
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