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Dante Valentine 02 - Hoellenritt

Dante Valentine 02 - Hoellenritt

Titel: Dante Valentine 02 - Hoellenritt
Autoren: Lilth Saintcrow
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anwesend? Zumindest körperlich? (Verhaltenes Lachen.) Sehr schön. Dann fangen wir mal an.
    Schreiben ist eine alte Kunst, eine der ältesten abstrakten Künste, die die Menschheit kennt. Gegenwärtig glauben wir, dass die Sumerer sie als Erste ausübten, aber angesichts der vergänglichen Natur vieler geschriebener Werke könnte es sehr wohl sein, dass wir andere Zivilisationen vollständig übersehen haben – einschließlich der Theorie, dass zunächst die Dämonen schreiben konnten und es später den Menschen beibrachten. (Erneut verhaltenes Lachen.) Wie ich sehe, finden die Magi-Studenten das alles nicht komisch. Gut.
    Die Keilschrift der Sumerer stellt für uns einen einschneidenden Schritt in der Entwicklung der menschlichen Intelligenz dar: das Bedürfnis, die Wirklichkeit in Symbolen abzubilden.
    Von Anfang an hat man das Schreiben als eine Kunst betrachtet, die den Beigeschmack von Magik hat. Beispielsweise befasste sich ein Großteil der ägyptischen Zauberei ausschließlich damit. Das Buch der Toten (ich beziehe mich hier sowohl auf das ägyptische als auch auf das tibetische Werk dieses Namens) lässt sich als religiöser Akt einstufen, der sich in einer ganzen Reihe wichtiger Punkte von einem Akt der Zauberei nicht unterscheiden lässt, nicht zuletzt in der Annahme, dass das geschriebene oder gesprochene Wort – menschliche Sprache an sich – das Verhalten selbst unabänderlicher Gesetzmäßigkeiten, namentlich den Tod, und einen anderen Daseinszustand, das Leben nach dem Tod, grundlegend verändern kann. Ist uns allen hier der Begriff Logos vertraut, in seiner Bedeutung als magische Handlung, der Welt durch Namensgebung seinen Willen aufzuzwingen? Gut.
    Entscheidend für das Verständnis der Kanons ist ein ganz einfacher Lehrsatz. Es geht um ein grundlegendes Prinzip der Magik, das Ihnen allen schon bis zum Überdruss eingetrichtert wurde. Und ich wiederhole es noch einmal.
    So etwas wie ein leeres Wort gibt es nicht. Schreiben Sie sich das auf, unterstreichen Sie es, brennen Sie es sich ins Gedächtnis. Die psionischen Künste unterliegen strengen Regeln, und aus diesem einfachen Grund sind zugelassene Psionen an einen hohen Standard gebunden. Wort in Verbindung mit Willen – also absichtlichem Handeln – bringt eine Veränderung der Wirklichkeit hervor; das ist der Kern jeder noch so einfachen Zauberei. Worte sind die Fortsetzung von Taten mit anderen Mitteln; eine Tat in Verbindung mit Absicht ist mit geheimen Kräften ausgestattete Magik, der Erste Große Zweig der Zauberei. Den Zweiten Zweig bilden die Runenzauberei und andere Magik-Schreibkünste. Die Propagandisten des 20. Jahrhunderts hatten sich an diesem Gesetz versucht, und ihre Fehlschläge wie ihre Triumphe werden in diesem Semester noch Gegenstand unserer Studien sein.
    Aber lassen Sie uns zunächst einen kurzen Blick auf den Kanon selbst werfen, bevor wir in die Theorie eintauchen.
    Die Neun Kanons, die wir heute kennen, hatten ihren Ursprung in einem Kanon aus einem Schriftstück, das kurz vor dem Siebzigtagekrieg verfasst wurde. Wie Sie sich zweifelsohne erinnern werden, begann kurz vor dem Krieg das Große Erwachen, und die Wiedergeburt des okkulten Wissens blühte ebenso auf wie handhabbare Technologien zur Kontrolle der Psinergie, beides in den subversiven Gesellschaftsschichten des Nichtbürgertums der Republik Gilead wie auch in der Region, die man heutzutage als Putchkin-Allianz bezeichnet. Dieser besondere Kanon, heute bekannt unter dem Namen „Jessenblack-Runen“, und der erste Halb-Gesang der Neun war von einem namenlosen Menschen in Stambul verschlüsselt worden. Zuerst wurde er unter den Zeremonialzauberern jener Stadt in Form von Flugblättern verbreitet, zusammengeheftet und nur äußerst begrenzt haltbar. Die große revolutionäre Errungenschaft dieser „Jessenblack-Runen“ lag in ihrer Zugänglichkeit – sie umfassten nie mehr als zwei Silben und waren aus verschiedenen okkulten Traditionen herausdestilliert. Eigentlich sind sie eher Glyphen als Runen.
    Fragen bis hierher? Nein? Sehr gut.
    Wir wissen sehr wenig darüber, wer die Technik der Runendestillierung tatsächlich entwickelt hat, aber die Geschichte hat uns mit einigen interessanten Kandidaten versorgt, die übrigens ohne Ausnahme ein hervorragendes Thema für Ihre Seminararbeiten darstellen. Mit einem Mythos wollen wir allerdings gleich aufräumen: Saint Crowley, der Magi, hatte mit den Jessenblacks nichts zu tun, auch wenn seine Bemühungen um die
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