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Damon Knights Collection 2

Damon Knights Collection 2

Titel: Damon Knights Collection 2
Autoren: Damon Knight
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halb bei dem uralten Film, halb bei der Bläue über ihr. Der endlosen Bläue.
    Allen Ermahnungen zum Trotz nackt, schwebte Jen sieben Meter über dem halbkugelförmigen Dach ihres Elternhauses. Luftblasen stiegen in einer Kette schimmernder, schwach erkennbarer Sicheln zur Oberfläche auf. Wie immer ließ das Meer sie ihren Zwang zur Eile vergessen. Sie begann langsam zu paddeln, die Füße in den langen Flossen griffen aus und durchfurchten das Wasser. Im Dahingleiten blickte sie unter sich auf die Reihen von Kuppeln mit ihren gepflegten, fast vorstädtischen Gärten voller wogender Wasserpflanzen. Sie sah die verschwommenen Quadrate ihrer Fenster und die helleren grünlichblauen Kugeln der Straßenlampen, die an dünnen Drähten über dem Meeresboden baumelten. Warnungen für Schwimmer hingen an langen Drahtstreifen. Entsprechend den Straßen der Stadtkomplexe, an die Jen sich kaum noch erinnerte, gab es deutlich gekennzeichnete Bahnen, aber viele ignorierten sie. Und fast alle Kinder. Genaugenommen befand sie sich jetzt außerhalb der Stadtgrenze, denn sie glitt mittlerweile nur wenige Meter unter der Oberfläche dahin.
    Die Sicht war gut heute abend. Auflandige Winde verursachten zuweilen eine Trübung, die tagelang anhielt, aber jetzt war es seit fast einer Woche windstill gewesen. In dem beinahe ungetrübten Wasser konnte sie den fernen Schimmer ausmachen, wo die Ingenieure, unter ihnen ihr Vater, an dem neuen Theateranbau und dem Kulturzentrum arbeiteten. Wenn die Anlage einmal fertiggestellt sein würde, würde sie der Stolz der Siedlung Achtzig sein, die von ihren Bewohnern Oceanville genannt wurde. Allein an diesem Küstenstreifen gab es noch ein Dutzend anderer Oceanvilles und wahrscheinlich Hunderte in allen Meeren der Welt. Sie erschauerte leicht, obwohl das Wasser nicht kalt war.
    Jenseits der Lichter, jenseits der von Tauchern umschwebten großen Stahlgerüste, gab es lange abschüssige Strecken, wo die Häuser der Stadt allmählich aufhörten und die Korallen und der Sand der Küstengewässer dem Treibsand des eigentlichen Ozeans Platz machten. Dort befand sich ein bis jetzt noch sehr kleiner Friedhof mit ein paar die Toten bergenden Metallbehältern. Und jenseits dieses Friedhofs, hinter grauen Dünen, wo das Licht unmerklich in Marineblau und Schwarz überging, lagen Die Tiefen. Mehr als alles andere liebte es Jen, zu den Neubauten hinüberzuschwimmen, sich auf einen der Träger zu setzen und in das vage Dunkel des eigentlichen Meeres, das bodenlos und unermeßlich war, herabzustarren. Bloß zu starren, zu horchen und zu warten. Vielleicht würde sie heute abend nach der Party dorthin schwimmen.
    Sie ließ sich erschlaffen, pumpte Luft in die Lunge und hielt den Atem an, um den Auftrieb zu verstärken. Mit lockeren Armen und Beinen trieb ihr Körper nach oben. Über ihr erschien die Oberfläche, eine schwach leuchtende, umgekehrte Ebene. Lichtpunkte glitzerten, wo der Mondstrahl sich in der Tiefe brach. Jen paddelte träge mit den Flossen, einmal, zweimal, ihr Körper durchbrach die Oberfläche, und sie spürte, wie sie von einem leichten Wellengang weitergetragen wurde.
    Sie blickte um sich. Das Meer war ganz ruhig, zum Horizont hin dunkel, bläulich phosphoreszierend um ihre Schultern und den Hals. Wenn sie genau hinsah, konnte sie kleinste Lebewesen erkennen, die wie leuchtende Körner um sie aufstiegen. In weiter Ferne die orangefarbene Wolkenspiegelung über dem Land, wo die universalen Städte brüllten und jammerten. Jen legte sich auf den Rücken und ließ sich vom Wasser tragen. Früher hatte sie die Maske heruntergezogen und das feuchte Salz der gewöhnlichen Luft eingeatmet. Jetzt spürte sie kein Verlangen mehr danach. Wassertretend drehte sie sich langsam um, warf noch einen letzten Blick auf den Mond und tauchte. Ihre Fersen rührten einen flüchtigen Lichterwirbel auf. Unter Wasser schwamm sie mit kräftigen Stößen vorwärts. Sie schoß zur Westterrasse hinunter, wo die Kuppel der Belmonts lag. Die Party war sicher schon in vollem Gange! Sie verlor kostbare Tanzzeit.
    Stunden später angelte sich Mary eine ihrer seltenen Zigaretten aus dem Wandspender. Mit leicht gerunzelter Stirn zog sie den Rauch ein und blies ihn langsam durch die Nase aus. Sie lehnte sich zurück und beobachtete, wie der Rauch durch den Deckenventilator abzog. Der Teleschirm war abgestellt, der letzte Bösewicht hatte ins Gras gebissen, und sie war des Zusehens müde geworden. Der Bungalow schien sehr still.
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