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Dämon

Dämon

Titel: Dämon
Autoren: Matthew Delaney
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der Toten, hatte er scheinbar nie bemerkt, wenn eine Trennung drohte. Heute jedoch war es ihr Gesicht, das in der Dunkelheit hinter seinen geschlossenen Lidern zu ihm kam. Vielleicht gefiel ihm einfach die Vorstellung, dass ein hübsches Mädchen sich etwas aus ihm machte – doch aus welchem Grund auch immer, Eric musste oft an sie denken. Ganz besonders an den Geruch ihres Haares. Er hatte sein Gesicht in ihr Haar gedrückt, hatte es tief zwischen den glänzenden Locken vergraben. Dieser süße Duft. Gott, wie habe ich den geliebt.
    Eine ohrenbetäubende Explosion riss ihn aus seinen Gedanken. Der Helm vibrierte gegen seinen Schädel. Der Kinnriemen, der locker herabbaumelte, peitschte ihm kalt und nass ins Gesicht. Der Helm rutschte ihm über die Augen nach vorn und versperrte ihm für einen Moment die Sicht. Er schob ihn gerade rechtzeitig zurück, um zu sehen, wie voraus ein Abschnitt des Strandes in einer roten Wolke aus Sand und zerfetztem Gehölz verschwand. Die Granaten von der Missouri schlugen zwischen den hohen Palmen ein, die den Strand säumten, und wirbelten zersplittertes Holz in die Luft, das aufspritzend in der rollenden Brandung landete.
    Eric wandte den Kopf und sah zur Seite, blickte auf das Meer hinaus. Hinter ihnen, in sicherer Entfernung vom Ufer, feuerten die USS Missouri und die Nebraska ihre letzten Sperrfeuersalven ab. Fern am Horizont, in der endlosen Weite des Ozeans, wirkten die Kanonen der Schlachtschiffe beinahe harmlos, und der Rauch aus den Geschützrohren sah aus wie Sporenwölkchen, die aus geplatzten Pilzköpfen stoben.
    Der Vergleich wurde rasch relativiert angesichts der Geschosse von der Größe eines Automobils, die mit wütendem Kreischen über ihren Köpfen vorbeirauschten, bevor sie in den Strand vor ihnen einschlugen.
    Das Landungsboot setzte seinen Weg fort und näherte sich stetig dem Chaos aus brennendem Dschungel und schäumendem Sand. Es sackte erneut in ein Wellental. Wasser spritzte gegen die Seiten und schoss in weißen Fontänen empor. Hinter Eric röhrten die Schiffsdiesel unablässig weiter, ein pulsierendes, metallisches Geräusch, das in Höhe und Lautstärke mit den Wogen des Ozeans stieg und fiel. Manchmal höher, manchmal tiefer, doch stets das gleiche monotone Dröhnen. Der Steuermann stand über dem Motor, das Gesicht unter dem Helm angespannt und nass von Seewasser, der Körper geschützt von einer Metallwand, die bis zu seiner Brust reichte.
    Eric spürte, wie jemand an seinem Ärmel zupfte.
    »Zigarette?« Jimmy Scotti hielt ihm ein dünnes weißes Stäbchen hin, während eine zweite, nicht angezündete Zigarette im Mundwinkel klebte. Seine Stimme klang verzerrt, und seine Lippen waren schmal.
    »Nein, danke.« Eric schüttelte den Kopf.
    Scotti zuckte die Schultern und steckte die Zigarette vorsichtig in seine Brusttasche zurück, wo sie vor der Nässe einigermaßen sicher war.
    »Das ist vielleicht eine Sauerei, was?«, sagte er unvermittelt, und seine Stimme klang nervös.
    »Was meinst du?«, fragte Eric.
    »Das hier«, antwortete Scotti einsilbig. »Diese ganze beschissene Operation. Hier draußen auf den Wellen, unterwegs zu einer mit Japsen verseuchten Insel am Arsch der Welt.«
    Eric nickte nachdenklich. Nach einem Augenblick sagte er: »Weißt du, ich hab in meinem ganzen Leben noch keinen Japs gesehen.«
    »Was?«
    »Ich hab noch nie einen Japaner zu Gesicht gekriegt.«
    »Du willst mich verarschen.«
    »Nein.« Eric schüttelte den Kopf. »Ich schwör’s. In unserer Straße wohnte ein Typ, von dem ich dachte, er wäre ein Japs, aber dann hat sich rausgestellt, dass er aus China war.«
    Scotti drehte sich überrascht um und hob den Kopf. »He, Leonard!«, brüllte er zu jemandem weiter vorn im Landungsboot.
    »Was denn?«, kam die gedämpfte Antwort durch das Rauschen des Ozeans und das Dröhnen der Motoren von einem der behelmten Köpfe.
    »Davis hat noch nie einen Japs gesehen.«
    Einige Helme drehten sich neugierig nach ihnen um.
    »Wirklich? Na, dann hat er jetzt Gelegenheit – da vorn wartet eine ganze verdammte Bande Japse auf uns.«
    Scotti nickte zu Leonards Antwort. »Noch nie ’nen Japs gesehen, tsss … verdammte Japse!«, flüsterte er staunend zu sich selbst und schüttelte den Kopf, die Zigarette noch immer im Mundwinkel. Scotti rückte sie zurecht und zog ein silbernes Feuerzeug hervor, um sie anzustecken.
    Eric beobachtete ihn bei seinen Bemühungen. Die Flamme tanzte um das Ende des Glimmstängels, doch das Boot
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