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Daddy Langbein

Daddy Langbein

Titel: Daddy Langbein
Autoren: Jean Webster
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glaube ich, daß dadurch die Narbe trotzdem nicht ausgelöscht würde.

LETZTER KRIEGSBERICHT

    Meldungen vom Operationsfeld

    Zur Stunde der vierten Wache am Donnerstag, dem 13. November, stieß Hannibal die Vorhut der Römer zurück und führte die Streitkräfte Karthagos über die Bergo in die Ebenen von Casilinum. Eine Kohorte leichter bewaffneter Numidier geriet mit der Infanterie des Quintus Fabius Maximus ins Handgemenge. Zwei Schlachten und leichte Scharmützel. Die Römer wurden mit schweren Verlusten , zurückgeschlagen.

    Ich habe die Ehre als Ihr Sonderkorrespondent von der Front zu zeichnen
    J. Abbott.

    P. S. Ich weiß, daß ich keine Antwortbriefe erwarten darf, und ich wurde davor gewarnt, Sie mit Fragen zu belästigen. Aber, Daddy, sagen Sie mir das eine: Sind Sie furchtbar alt oder nur ein bißchen alt? Haben Sie eine vollkommene Glatze oder nur eine kleine Glatze? Es ist sehr schwer, im Abstrakten an Sic zu denken wie an ein Geometrieproblem.
    Gegeben ein großer reicher Mann, der Mädchen haßt, gegenüber einem recht frechen Mädchen aber sehr freigebig ist. Wie sieht er aus?
    U. A. w. g.

19. Dezember.

    Lieber Daddy-Langbein, Sie haben meine Frage nie beantwortet. Und sie war sehr wichtig.

    SIND SIE GLATZKÖPFIG?

    Ich habe mir genau ausgedacht, wie Sie aussehen — es ist sehr befriedigend — bis ich zu Ihrem Kopf komme. Und dann sitze ich fest. Ich kann nicht entscheiden, ob Sie weißes Haar oder schwarzes Haar oder eine Art gesprenkelt graues Haar haben oder vielleicht gar keines.
    Hier ist Ihr Porträt:

    Aber die Frage ist, soll ich noch Haar hinzufügen?
    Möchten Sie wissen, was für eine Farbe Ihre Augen
    haben? Sie sind grau, und Ihre Augenbrauen stehen vor wie ein Verandadach (buschig nennt man das in Romanen), und Ihr Mund ist eine gerade Linie mit der Neigung, die Mundwinkel nach unten zu ziehen. Oh, Sie sehen, ich kenne Sie! Sie sind ein bissiger alter Kerl und haben Ihre Launen.
    (Es läutet zur Andacht.)

    9.45 Uhr abends.

    Ich habe ein neues unverbrüchliches Gesetz: nie, nie des Nachts zu studieren, gleichgültig, wie viele schriftliche Prüfungen am nächsten Morgen kommen mögen. Statt dessen lese ich einfach gewöhnliche Bücher — das muß ich nämlich, weil ich achtzehn leere Jahre hinter mir habe. Sie würden es nicht glauben, Daddy, was für ein Abgrund an Unwissenheit in meinem Hirn ist; ich beginne gerade erst selbst mir die Tiefen klarzumachen. Die Dinge, die die meisten Mädchen mit einer richtig verteilten Familie und einem Zuhause und Freunden und einer Bibliothek einfach mitbekommen haben, sind mir völlig unbekannt. Zum Beispiel:
    Ich las nie „Mother Goose“ (entspricht etwa unserem Struwwelpeter) oder „David Copperfield“ oder „Ivanhoe“ oder „Aschenbrödel“ oder „Blaubart“ oder „Robinson Crusoe“ oder „Jane Eyre“ oder „Alice im Wunderland“ oder ein einziges Wort von Rudyard Kipling. Ich wußte nicht, daß die Menschen früher Affen waren und daß das Paradies eine scheue Legende ist. Ich wußte nicht, daß R. L. S. für Robert Louis Stevenson steht, noch daß George Eliot eine Frau war. Ich hatte nie ein Bild der „Mona Lisa“ gesehen, und (es ist wahr, obwohl Sie es nicht glauben werden) ich hatte noch nie von Sherlock Holmes gehört.
    Jetzt weiß ich alle diese Dinge und noch viele darüber hinaus; aber Sie sehen, wieviel ich einzuholen habe. Ach, und es macht Spaß! Ich freue mich schon den ganzen Tag auf den Abend, und dann mache ich ein „Besetzt“ vor die Tür und ziehe meinen schönen roten Schlafrock an und die Pelzpantoffel und türme alle Kissen auf der Couch hinter mir auf und zünde die Messingstudierlampe neben meinem Ellbogen an und lese und lese und lese. Ein Buch ist nicht genug. Ich bin an vieren auf einmal. Gegenwärtig sind es Tennysons Gedichte und „Vanity Fair“ und Kiplings „Einfache Geschichten“ und — lachen Sie nicht — „Little Women“. Ich habe entdeckt, daß ich das einzige Mädchen im College bin, das nicht mit „Little Women“ großgezogen wurde. Das habe ich aber niemand erzählt (dadurch wäre ich zu sehr anfgefallen); ich habe mich nur still aufgemacht und habe es mit 1,12 Dollar meines letztmonatlichen Taschengeldes gekauft. Und wenn das nächstemal jemand über Senfgurken spricht, weiß ich, was gemeint ist.
    (Die Zehn-Uhr-Glocke. Dies ist ein oft unterbrochener Brief.)

    Samstag.

    Geehrter Herr!

    Ich habe die Ehre, über neue Entdeckungen auf dem Feld der Geometrie zu
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