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Cyberabad: Roman (German Edition)

Cyberabad: Roman (German Edition)

Titel: Cyberabad: Roman (German Edition)
Autoren: Ian McDonald
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dürfte es so aussehen, als würde etwas wie Supergravitation die Raumzeit zusammenstauchen, so dass es nicht expandieren kann. Aber diese Expansionsenergie muss irgendwohin abfließen.«
    »Wie lange kann das Feld es halten?«, will Vishram von Sonia Yadav wissen. Er stellt sich vor, dass er brüllen sollte. In den Filmen brüllen sie immer. Ihr Schulterzucken sagt ihm alles, was er wissen und befürchten muss. Ein neues Beben. Menschen werfen sich zu Boden, obwohl die Erde keine Sicherheit mehr bietet. Vishram sieht sie kaum. Der Stern, der blendende Stern. Jetzt ist er eine winzige Sphäre. Dann hört er doch jemanden brüllen. Sonia Yadav.
    »Deba! Hat jemand Deba gesehen?«
    Während sich der Ruf über das Feld ausbreitet, wird Vishram Ray bewusst, dass er rennt. Ihm ist klar, dass sie Deba nirgendwo in dieser Menge finden werden. Deba ist da unten, in seinem Loch, in seinem Schwarzen Loch unter der Erde, am Abgrund zum Nichts. Eine Stimme ruft seinen Namen, eine Stimme, die er nicht erkennt. Er blickt sich um und sieht, dass Marianna Fusco hinter ihm herrennt. Sie hat ihre Schuhe ausgezogen, und sie rennt schwerfällig in ihrem Geschäftskostüm. Er hat noch nie gehört, wie sie seinen Namen gebrüllt hat.
    »Vish! Komm zurück! Du kannst nichts tun!«
    Die Blase expandiert weiter. Jetzt misst sie dreißig Meter und erhebt sich wie eine Mughal-Kuppel aus dem Forschungszentrum. Genauso wie die Kuppel des Mughal Taj ist sie innen leer, noch leerer als die Grabkammer eines Imperators in tiefer Trauer. Sie ist nichts. Sie ist eine so absolute Auslöschung, dass der menschliche Geist es gar nicht erfassen kann. Und Vishram stürzt darauf zu.
    »Deba!«
    Eine Silhouette taucht aus dem grellen Licht auf, mit unbeholfen rudernden Gliedmaßen.
    »Zu mir!«, ruft Vishram. »Zu mir!«
    Er packt Deba an den Armen. Das Gesicht des Jungen ist schwer verbrannt, seine Haut riecht nach Ultraviolett. Er reibt sich unablässig die Augen.
    »Es schmerzt!«, jammert er. »Es tut weh, es tut scheißweh!«
    Vishram reißt ihn herum, und die Blase macht einen weiteren Satz, einen gigantischen Quantensprung. Vishram starrt auf eine gleißend helle Wand aus Licht, doch darin glaubt er Formen und Muster zu erkennen, ein Flackern des hellen und weniger hellen Scheins, Licht und Schatten. Schwarz und weiß. Er starrt wie in Trance. Dann spürt er ein Brennen auf der Haut.
    Marianna Fusco nimmt Debas andere Schulter, und gemeinsam bringen sie ihn in Sicherheit. Die Aktionäre von Ray Power haben sich zum abgelegensten Teil des gepflegten Charbagh zurückgezogen. Vishram findet es seltsam, aber menschlich, dass noch niemand fortgegangen ist.
    »Lagebericht?«, sagt er zu Sonia Yadav. Die Sirenen sind jetzt ganz nahe, er hofft, dass es Sanitäter sind. Und das Flugzeug ist sehr, sehr nahe.
    »Unsere Computer führen einen Download mit unglaublicher Übertragungsrate durch«, sagt sie.
    »Wohin?«
    »In das da.«
    »Können wir irgendetwas tun?«
    »Nein«, sagt sie nur. »Wir haben keinen Zugriff mehr.«
    Du hast bekommen, was du wolltest, denkt Vishram und schickt die Worte als Gebet an die Sphäre aus Licht. Mehr musst du jetzt gar nicht tun. Schließ einfach die Tür und geh. Und während er das denkt, gibt es einen zweiten Lichtblitz und einen lauten Donnerschlag aus Luft und Licht und Energie und Raumzeit, die ins absolute Vakuum stürzen. Als sich Vishrams Blickfeld klärt, sieht er zwei Dinge.
    Das erste ist ein großer Krater von perfekter Halbkreisform und mit perfekten glatten Wänden, genau dort, wo zuvor das Forschungszentrum von Ray Power stand.
    Das zweite ist eine Reihe bewaffneter Soldaten in voller Kampfmontur, die über den gepflegten, gewässerten Rasen vorrückt. Angeführt werden die Männer von einem großen, mageren Mann in einem gutem Anzug und mit dunklem Bartschatten und einer Waffe in der Hand.
    »Ich bitte um Ihre Aufmerksamkeit!«, ruft der Mann. »Niemand verlässt das Gelände. Sie alle sind verhaftet.«
    Lisa Durnau findet Thomas Lull auf dem Gras kniend, die Hände noch immer mit schwarzem Kabelbinder gefesselt. Er hat all seine Tränen vergossen, bis nur noch eine schreckliche Stille übrig geblieben ist. Lisa hockt sich verlegen neben ihn und zerrt mit den Zähnen an ihrer Plastikfessel.
    »Sie sind entkommen«, sagt Thomas Lull und holt langsam und zitternd Luft.
    »Die Kontra-Inflationskraft muss zu einer Einfaltung der Dimensionen geführt haben«, sagt Lisa Durnau. »Das war verdammt riskant ...«
    »Ich
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