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Curia

Curia

Titel: Curia
Autoren: Oscar Caplan
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Säulen gesäumt, die ein grünes Licht aussandten und mit den Hieroglyphen aus dem Buch der Zwei Wege bedeckt waren. Ich gelangte in die Halle der Aufzeichnungen, ein runder Tempel im Halbdunkel.
    Ich blickte mich nach allen Seiten um.
    Von vier gleich weit entfernten Punkten aus bedrängten mich vier große Statuen des Thoth aus schwarzem Basalt mit dem Kopf des Ibis und so groß wie die granitenen Kolosse des Grabtempels der Strahlenden Sonne.
    Ein Pfeifen lief durch den Tempel, und vom Boden erhob sich eine Spirale aus weißem Licht, die bis zur Decke aufstieg. Sie begann sich zu drehen, und tausend Lichtringe zuckten über die Wände und das Gewölbe.
    Ich aß den Kegel des Weißen Brotes, das die Alchimisten im Haus des Phönix zubereitet hatten, welche die Formel der Verwandlungen kennen. Schwindel ergriff mich. Die Statuen schwankten wie Flammen im Wind, die Wände verzerrten sich, der Boden bäumte sich auf, und die Zeit und der Raum verschmolzen zu einer Einheit. Auf halber Höhe wurde die Spirale dünner, bis sie zwei rotierende Lichtkegel bildete, die durch ihre Wirbel verbunden waren, einer zur Decke ausgerichtet, der andere zum Boden.
    Die beiden Kegel wickelten sich umeinander wie zwei Schlangen, die sich ineinander verbeißen. Ein Schwall aus Licht überflutete mich, und eine urzeitliche Kraft saugte mich in die Abgründe des Nun hinein, während Ungeheuer aus verzerrten Formen um mich herumwirbelten. Ein leuchtender Punkt raste mit der Geschwindigkeit des Blitzes auf mich zu, das Licht explodierte, und ich fand mich in einer ewigen Stille zwischen Millionen von Sternen wieder, die ringsumher vorüberflogen.
    Ich gelangte zum Hundestern und sah mich selbst. Ich gelangte zum Ochsen des Himmels und sah mich selbst. Ich gelangte zu Horus dem Roten und sah abermals mich selbst. Das Schiff einer Million Jahre trug mich bis an die Grenzen des Kosmos, und ich gewahrte, dass es keine Grenzen gibt außer jenen, zu denen mein Geist mich nötigt, und auf jedem Stern, dem ich begegnete, sah ich immer mich selbst.
    Ich machte halt an dem Punkt, wo Vergangenheit und Zukunft aufeinandertreffen, und versuchte, die Gegenwart zu ergreifen, aber meine Hände ergriffen das Nichts. Alle meine unzähligen Leben aller zukünftigen Zeiten aller Sterne des Alls durchquerten mich mit der Schnelligkeit des Blitzes, vom entferntesten bis zum nahesten, vom Moment des Todes bis zu dem der Geburt, und ebenso geschah es mit all meinen vergangenen Leben bis zurück zum Tag der Alten Schlange. Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft lösten sich auf wie die Luftspiegelungen in den Roten Wüstenländern, und meine Hände ergriffen die Ewigkeit.
    Ich dachte das Böse, ohne es zu begehen, und schuf eine Welt des Bösen. Ich dachte das Gute, ohne es zu tun, und schuf eine Welt des Guten. Ich hieß meinen Geist schweigen, dachte nicht mehr in Gegensätzen, und ich sah die Schöpfung mit dem Auge des Horus. Ich, jedes Lebewesen und alle Dinge der Welt wurden Teil des Ganzen, Teil aller vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Zeit, und der Kosmos leuchtete im Lichte Maats. Ich lächelte, und eine Akazie blühte auf dem Gott des Morgens. Ich sprach Worte voller Zorn, und eine Träne glitt über den Stern des Osiris. Ich träumte von den Gärten einer Stadt, darin die Zwei Wahrheiten herrschen, und ein Stern wurde geboren. Ich bückte mich, um einen Tautropfen zu betrachten, und sah, wie sich das Universum darin spiegelte.
    Ein Licht blendete mich, ich wurde von einem Mahlstrom ergriffen, und mir stockte der Atem. Der Kosmos wirbelte um mich herum, und ich fand mich keuchend auf dem Boden des Tempels wieder.
    Die beiden Lichtkegel verschmolzen und bildeten wieder die Spirale. Diese teilte sich zu einer doppelten Helix, und die beiden Fäden wanden sich umeinander. Eine Folge vierfarbiger Strahlen verband die Fäden wie die Sprossen einer Leiter. Die Spirale begann zu kreisen, erst langsam, dann immer schneller, bis das Pfeifen ohrenbetäubend wurde. Der Tempel bebte, und ringsumher funkelten Myriaden von Lichtern, die von einer Wand zur anderen geschleudert wurden.
    Die Leiter aus Licht verschwand, und die Halle der Aufzeichnungen fiel zurück in das Halbdunkel und die Stille.

    Ich weiß nicht, ob es meinem Schreiber gelingen wird, Iunu zu erreichen, ebenso wie ich nicht weiß, ob der Hohepriester Wadjmosis tun wird, worum ich ihn bitte, und ob er es wird tun können, bevor die Faust Amuns den Tempel des Ra zerschmettern wird. Keine Spur
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