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Crashkurs Wein (Allgemeine Einführungen) (German Edition)

Crashkurs Wein (Allgemeine Einführungen) (German Edition)

Titel: Crashkurs Wein (Allgemeine Einführungen) (German Edition)
Autoren: Gerd Rindchen
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mehrere Möglichkeiten. So kann zu dem Zeitpunkt, an dem noch die erwünschte Zuckermenge im Wein ist, die Gärung durch Kälte abgestoppt werden. Gärhefen brauchen eine bestimmte Temperatur, um ihre Arbeit zu verrichten; und wenn es ihnen zu kalt wird, machen sie einfach Feierabend. Wenn die Hefen dann anschließend herausfiltriert werden, kann nichts mehr passieren – die Süße bleibt drin und der Wein ist stabil, kann also nicht mehr nachgären und sich damit verändern. Voraussetzung dafür aber ist ein sehr sauberes und penibles Arbeiten im Keller. Bei guten Winzern und für gehobene Weine, die einen Hauch Süße behalten sollen, ist das die aufwendigste, aber beliebteste Methode. Denn die Süße, die so im Wein verbleibt, ist ja die weineigene, und es kommen keine anderen geschmacklichen Elemente hinzu, die den Charakter verwischen könnten.
    Bei spontan vergorenen Weinen haben die Hefen häufig weniger Kraft als bei den mit Reinzuchthefen vergorenen Weinen. Daher hören diese Weine häufig schon zu gären auf, wenn der Wein im halbtrockenen oder leicht lieblichen Bereich »festhängt«. Hier macht sich dann sozusagen der nichttrockene Wein von alleine.

HERRSCHAFTSWISSEN ZUM ANGEBEN
    Was sind eigentlich die »Öchslegrade«?
    Mit dem Zucker hängen übrigens auch die häufig zitierten »Öchslegrade« zusammen, die für die Einstufung der deutschen Weine in verschiedene Qualitätsstufen ausschlaggebend sind (siehe Kapitel 4 – Was das Etikett erzählt). Je höher die »Öchslegrade« des frisch gepressten Traubenmostes, desto höher ist in Deutschland die Qualitätsstufe, in die der Wein eingeteilt werden darf. Diese Öchslegrade sind eine Maßeinheit für die Dichte des Traubenmostes. Je mehr Zucker der Most enthält, desto mehr nimmt die Dichte zu. Dabei entspricht 1 Grad Oe, Öchsle, etwa 2,6 Gramm Zucker in 1 Liter Wasser. Das bedeutet: Ein Traubenmost mit 90 °Oe enthält etwa 230 g natürlichen Fruchtzucker pro Liter. Je höher also die Öchslegrade, desto höher später der potenzielle Alkoholgehalt des Weines. Und woher kommt der seltsame Name? Ganz einfach: Die Grad Öchsle werden mit einer sogenannten Mostwaage (Senkspindel) gemessen, die in den 1830er-Jahren der Pforzheimer Mechaniker Christian Ferdinand Öchsle erfunden hat.

    Bilder links:
    Zu Anfang des Spätsommers beginnen die Winzer mit dem Messen des Zuckergehaltes in den Trauben. Der Zucker ist der Maßstab für die Reife und er bestimmt das Mostgewicht, das in Öchslegraden (°Oe) ausgedrückt wird.
    Bild unten:
    Öchslegrade werden mit einer Mostwaage gemessen. Mit dieser Methode kann der Winzer den potentiellen Alkoholgehalt des fertigen Weins gut einschätzen.

    DIE SÜSSRESERVE
    Eine andere Möglichkeit, die insbesondere bei günstigen Konsumweinen häufig angewandt wird, ist der Zusatz von Traubensaft zum fertigen, durchgegorenen Wein. Dabei wird Traubensaft nach der Ernte intensiv »blank filtriert«, also so gründlich »gereinigt«, dass alle potenziell zur Gärung führenden Hefeteilchen draußen sind, und anschließend kühl und steril gelagert, bis er benötigt wird. Dann wird dieser Traubensaft vergorenem Wein im gewünschten Umfang zugesetzt.
    Er dient also als Reserve zum Süßen des Weines und heißt demzufolge offiziell im Weingesetz genau so: »Süßreserve«. Dieses Verfahren lässt sich einfach und kostengünstig für große Weinmengen anwenden und ist bei sauberem Arbeiten, ebenso wie das Abstoppen der Gärung durch Kälte, für den Genuss und die Bekömmlichkeit völlig unbedenklich. Dabei geht zwar durch die gleichsam den Wein überschminkende Süße Individualität verloren, aber ausgeprägten Terroircharakter wird bei der Supermarkt-Spätlese für 1,99 Euro oder bei der Liter-Tetrapackung »Ratskellerglück – Verschnitt aus verschiedenen Weinen der Europäischen Union« auch niemand ernsthaft erwarten.
    EDELFÄULE UND WINTERFROST – DIE KÖNIGSWEGE ZUM SÜSSEN WEIN
    Früher, als es die ganzen modernen kellertechnischen Verfahren noch nicht gab, waren natursüße Weine weltweit rar, teuer und begehrt. Deutsche Süßweine aus den besten Rieslinglagen von Mosel und Rheingau wurden um 1900 herum höher bezahlt als die teuersten Rotweine aus dem Bordeaux – so mancher in Spitzenlagen begüterte Moselwinzer konnte sich aus den Einnahmen eines einzigen sehr guten Jahrganges den Bau einer prachtvollen Villa leisten. Der Grund: Weine mit sehr hoher natürlicher Restsüße lassen sich nur aus Trauben gewinnen, die von
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