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Coq Rouge

Coq Rouge

Titel: Coq Rouge
Autoren: Jan Guillou
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exakt saß, mitten in der Brust. Er drehte Elazar mit einiger Mühe um. Die Kugel war auf der anderen Seite nicht ganz ausgetreten, da sie offenbar an der Wirbelsäule abgeprallt und dort steckengeblieben war. Carl hörte im Rücken des Mannes das gedämpfte Knirschen von Knochensplittern.
    Carl erhob sich und sah zu Appeltoft hinüber. Sie starrten sich kurz an. Aus der Ferne hörten sie die Sirenen von Krankenwagen.
    »Dieser Mann ist Oberstleutnant Elazar«, sagte Carl leise, »das war unser Mann. Er dürfte Axel Folkesson getötet haben. Er war ihr operativer Chef, in Israel ein großer Held.«
    Sie blickten kurz auf den toten Mörder.
    »Was hast du da in der Hand?« fragte Appeltoft und spürte im selben Moment, daß er aus dem Zimmer gehen und Wasser trinken oder sich übergeben mußte, möglicherweise beides.
    »Einen Reisepaß«, erwiderte Carl, als er Appeltoft in die Richtung folgte, wo sie eine Küche oder ein Badezimmer vermuteten. »Es ist ein arabischer Paß, kein europäischer, und soviel ich sehen kann, ist es ein libyscher Paß.«
    »Libysch?«
    »Ja, aber ich habe sie hebräisch sprechen hören, sie sind Israelis, da gibt’s keinen Zweifel.«
    Sie tranken in der Küche ein Glas Wasser und gingen dann zur Außentür, um den Krankenwagen-Besatzungen und Polizisten aufzumachen, die jetzt in Massen auf die Villa zurannten.
    Es war vier Uhr morgens, als Carl Näslunds Amtszimmer betrat. Der Raum war nur schwach erleuchtet, und draußen vor den Fenstern war es stockdunkel. Im Zimmer saßen außer Näslund sein bevorzugter Sprecher Karl Alfredsson sowie der Briefträger persönlich, der Chef der gesamten Sicherheitsabteilung, der nach außen hin für das Vorgefallene verantwortlich sein würde - oder auch nicht.
    Die drei Männer waren vor etwa einer Stunde geweckt worden. Sie hatten sich halbangezogen und unrasiert in ihre Autos gestürzt und waren zu Kungsholmen gefahren. Sie waren zwar blitzschnell aufgewacht und hatten die kurzen Mitteilungen begriffen, aber trotzdem nicht alles ganz verstanden, was sie von den diensthabenden Kriminalbeamten erhalten hatten. Die Villa draußen in Viggbyholm war gegenwärtig von rund fünfzig Beamten der Sondereinheit der Polizei umstellt, die keine andere unmittelbare taktische Aufgabe hatte als die wenigen Pressefotografen und Journalisten auf Abstand zu halten.
    Die drei Männer starrten mit schreckerfüllter Faszination auf Carl, als er das Zimmer betrat. Hose und Pullover waren voller Blut, auch seine Hände waren blutig, und er hatte sich offensichtlich übers Haar gestrichen, denn an der Stirn klebte ihm geronnenes Blut. Er war unrasiert, aber der Sonnenbrand von Eilat bewirkte vermutlich, daß er weniger erschöpft aussah, als er sich fühlte. Er schien gesammelt und konzentriert, als er ohne ein Wort vortrat und einen der Besucherstühle vor Näslunds Schreibtisch an sich zog.
    Es wurde still im Raum. Keiner der drei Vorgesetzten fühlte sich aufgefordert, mit Fragen zu beginnen, da sie viel zuwenig von dem wußten, was geschehen war. Schließlich räusperte sich der Briefträger und machte einen Anlauf; mit einer Stimme, die nicht richtig trug.
    »Kannst du uns kurz ins Bild setzen, Hamilton?«
    »Ja«, sagte Carl. »Appeltoft und ich kamen zu spät, die Operation hatte schon begonnen. Ich verschaffte mir Zutritt, aber die Israelis hatten schon begonnen, die Menschen hinzurichten, die sich im Haus befanden. Es kam zu einer Konfrontation. Ich habe drei Männer getötet. Einer liegt im Karolinska-Krankenhaus auf dem Operationstisch. Zwei der anderen Angeschossenen haben vor einer halben Stunde noch gelebt, vermutlich werden auch sie gerade operiert. Die fünf anderen Opfer, wie wir glauben drei Palästinenser und zwei Schweden, sind tot. Sie liegen noch draußen am Tatort. Inzwischen ist der Erkennungsdienst eingetroffen, Appeltoft leitet den Einsatz.«
    Das jetzt eintretende Schweigen beruhte teilweise auf einem Grund, der Carl unbekannt war. Eine Viertelstunde zuvor hatte Näslund den beiden anderen Spitzenbeamten erklärt, es handle sich um die erwartete libyschpalästinensische Operation, auf die er sichere Hinweise erhalten habe.
    »Du sagst, du hast vier Israelis erschossen?« fragte Näslund mit schreckerfülltem Zweifel.
    Carl mißverstand den Zweck der Frage.
    »Ja. Ich hatte kaum eine Wahl. Ich war allein und hatte nicht die Möglichkeit, mit ihnen zu verhandeln. Die Operation hatte ja offensichtlich das Ziel, keine Zeugen
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