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Copyworld: Roman (German Edition)

Copyworld: Roman (German Edition)

Titel: Copyworld: Roman (German Edition)
Autoren: Michael Szameit
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weint leise und hilflos.
    “Hilf mir doch, Mutter! Ich
verstehe nichts mehr...”
    Sie streichelt zärtlich seinen
Kopf.
    “Fürchte dich nicht, mein Sohn.
Er wollte einen Teufel aus dir machen, keinen Gott. Copyworld   sollte die Hölle sein und du ihr Fürst…”
    Auf einmal hört Hyazinth eine
zweite Stimme.
    “Gut gemacht, Hyazinth, wir dachten
schon, du schaffst es nicht.”
    Er hebt erstaunt den Kopf. Das
war Holunder!
    “Erschrick nicht, ich melde mich
über den Wächter. Wir hatte dich die ganze Zeit unter Beobachtung. Notfalls
hätten wir eingegriffen, aber das war ja nicht nötig. Du bist ein Held,
Hyazinth. Wir sind stolz auf dich.”
    Wir hatten dich unter Kontrolle.
Die Worte klingen dumpf in seinem Schädel nach. Notfalls hätten wir
eingegriffen.
    Was für ein jämmerlicher Held bin
ich, denkt er schaudernd. Ferngesteuert wie ein Kinderspielzeug.
    Ein Gott aus Plüsch, zum
Aufziehen…

 
    dann ging die güte verloren
    ihr folgte die rechtschaffenheit
    dann ging die rechtschaffenheit
verloren
    und ihr folgten die riten
    die riten verdarben treue und
vertrauen
    und die wirrnis erhob ihr haupt
      Laudse
(Daudesching, Kap. 38)
    _________________________________________________
    Epilog
    Und
der Mensch schuf Gott nach seinem Ebenbild

 
    Hyazinth sitzt auf einer Sanddüne
in der Kalten Wüste und schluchzt mit Gott um die Wette. Hin und wieder gelingt
es ihm, die Beherrschung zurückzugewinnen, dann knirscht er nur wütend mit den
Zähnen und brüllt in das eintönige Sandmeer hinaus: “Schaltet die
Perzeptorzelle ab, ihr Schweine! Verdammt nochmal, laßt mich raus aus diesem
beschissenen Schopenhauertraum, oder ich schieße hier alles zusammen, bis von
dem Programm nur noch ein Haufen Scheiße übrig ist!!!” Dann sinkt er wieder in
sich zusammen und jault wieder auf wie ein geprügelter Hund.
    Federchen flattert über ihm im
Wind. Sie zerrt am Platinkettchen und zetert beleidigt, weil er sich nicht um
sie kümmert.
    Das kann alles nicht real sein,
hämmert es in seinen Schläfen. Sie haben mich extomiert! Ich sitze nicht
wirklich hier auf einer Sicheldüne, ich bin nur noch ein Knäuel aus
elektrischen Impulsen! Aber wann?! Wann haben sie mich extomiert?! Als ich
glaubte, endlich der dreifachen Falle entronnen zu sein, die Beryll mir
gestellt hatte? Oder ist das schon viel früher geschehen, haben sie mich schon
während der Vollnarkose bei der letzten Gesundheitskontrolle
zwangsdigitalisiert? Oder waren es etwa die Antisteinisten?? Haben sie mich
neutralisiert, weil sie mich trotz allem für einen Spitzel Weltensteins
hielten? Sie hätten es tun können, als ich in den Virtualitäten von
Copyworld   nach Proteus suchte!! Aber
angeblich gibt es doch gar keine wirkliche Digitalisierung! Was ist denn nun
wahr?!
    Ein stechender Schmerz pulst in
seinem Hinterkopf, als er versucht, sich zu erinnern:
    Er war nach Szingold
zurückgekehrt, um zu retten, was noch zu retten war, aber es war längst zu
spät. Überall schrien sie nach Beryll, der das Volk – gleich wo er auftrat –
mit glatten und verlogenen Worten besoffen redete, der einfach nur sagte, was
sie hören wollten. Selbst die dreisteste Verdrehung der Tatsachen nahmen sie
ihm willig ab: Er sei seit langem der Koordinator aller antisteinistischen
Aktionen gewesen, der eigentliche Führer des Widerstandes also.
    Die Kämpfer der
Antisteinistischen Revisionsfront hatten sofort nach dem Tod des Ersten
Exarchen alle strategisch wichtigen Punkte der DTEA – zuerst die Gesundheitswache
– besetzt. Nur vereinzelt hatte die Protektorgarde Widerstand geleistet, und
als die Bürger der DTEA auf die Straßen strömten, um mit einer Stimme den Sturz
des steinistischen Regimes zu fordern, da legten auch die Soldaten Weltensteins
die Waffen nieder.
    Als jedoch Tremakut und Rhomega
erschöpft vom Kampf Atem holten, traten Beryll und seine Spießgesellen auf den
Plan. Zuerst verkündeten sie eine weltweite Entsteinifizierungskampagne und
gründeten die Beryllische Freiheitsliga. Während Tremakuts Leute Bürgerräte
bildeten und interessante Vorschläge zur Reorganisierung der Gesellschaft
ausarbeiteten, malten Berylls Getreue mit Leuchtfarbe Losungen an die
Häuserwände. In der Zeit, die Rhomega damit verbrachte, als Vorsitzender einer
Bürgerkommission die Verbrechen der Protektorgarde aufzudecken – Hyazinth
dachte damals sofort an die “Extomie” – zog Beryll übers Land und erklärte den
Menschen, warum sie gerade ihn zum neuen Herrscher
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