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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto
Autoren: Nicolas Remin
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dienstliches Gesicht auf.
«Immerhin hat der Mann versucht, ein Tötungsdelikt zu
begehen.»
    «Es waren alle
sehr beeindruckt», sagte Bossi. «Die Geschichte macht
gerade die Runde in der Questura.» Sein Grinsen wurde noch
breiter. «Dass der Bursche ein Österreicher war, hat den
Kollegen besonders gut gefallen.» Er warf einen Blick auf die
Lithografie des Kaisers und stieß einen Seufzer aus.
«Und was machen wir, wenn er tatsächlich ein
kaiserlicher Oberst ist?»
    Tron streckte seinen
Zeigefinger energisch nach einem Rest süßer Schlagsahne
auf dem Teller aus. «Darüber denken wir nach, wenn es so
weit ist.»

4
    Alessandro, der
livrierte weißhaarige Diener, dessen Vater bereits in den
Diensten der Trons gestanden hatte, setzte den Teller mit der
dampfenden Suppe behutsam vor der Contessa Tron ab und trat einen
Schritt zurück. Die Contessa, Trons Mutter, dankte ihm mit
einem leichten Nicken des Kopfes. Dann ergriff sie den Löffel,
tunkte ihn in die Suppe und warf einen misstrauischen Blick
über den Tisch.
    Tron wusste, was von
ihm erwartet wurde. Er tunkte seinen Löffel ebenfalls in die
Suppe, kostete von der graubraunen, säuerlich riechenden
Flüssigkeit und sagte lächelnd, indem er jede Silbe
einzeln betonte: «Aus-ge-zeich-net.»
    Worauf die Contessa
einen befriedigten Gesichtsausdruck aufsetzte. «Man schmeckt
es also nicht. Alessandro hatte behauptet, dass
aufgewärmte Fischsuppen nicht mehr genießbar
sind.»
    Na, bitte - guten
Appetit. Tron atmete tief durch und beugte sich heroisch über
seinen Teller.
    Die saure Fischsuppe
passte jedenfalls zu den steinharten runden Brötchen,
den rosette, die jedoch
standesgemäß auf einer silbernen, mit Elfenbeingriffen
versehenen Servierplatte arrangiert waren. Auch das grünlich
schimmernde Hühnerfleisch, das den Hauptgang des Abendessens
bildete, hatte Alessandro in einer silbernen Terrine serviert, auf
der das Wappen der Trons prangte. Überhaupt vermittelte die
Ausstattung des Speisezimmers — wegen der Gobelins an einer
der Wände sala degli arrazzi genannt — noch
ein wenig von dem Glanz, in dem sich das Haus Tron einst gesonnt
hatte. Vor den beiden, aufgrund der Kälte geschlossenen
Fenstern zum Canal Grande hingen mit Goldfäden durchwirkte
Brokatvorhänge, an der gegenüberliegenden Wand stand ein
Konsoltisch, dessen riesige Marmorplatte auf vergoldeten Delphinen
ruhte. Darüber hingen, beinahe die ganze Wand einnehmend,
Porträts von bedeutenden Persönlichkeiten, die das Haus
Tron hervorgebracht hatte: ein Doge, drei Admiräle und zwei
Prokuratoren von San Marco. Aber das alles war lange her, und
verräterische helle Rechtecke auf der Tapete zeugten davon,
dass die Trons gezwungen waren, sich von einigen der Porträts
zu trennen.
    Tron schlug den Kragen
seines Gehrocks hoch und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
Ihn fröstelte - kein Wunder bei der eisigen Temperatur, die in
der sala
degli arrazzi herrschte. Die Fischsuppe dampfte
auch nicht, weil sie heiß war, sondern weil der weiße
Fayenceofen aus dem vorigen Jahrhundert kaum beheizt wurde. Aus
Sparsamkeit bevorzugte die Contessa scaldinos, kleine, tragbare und
mit glühender Holzkohle gefüllte Tongefäße.
Die qualmten meist, weil Alessandro die strikte Anweisung hatte,
preiswerte dalmatinische Holzkohle zu kaufen und nicht die teure
aus dem Friaul.
    «Julien ist
gestern in Venedig angekommen», sagte die Contessa. Sie
häufte sich ein wenig von dem grünlichen
Hühnerfleisch auf den Teller und ignorierte die Rauchfahne,
die neben ihrem Stuhl emporstieg.
    Tron hob den Blick von
seinem Teller. Für eine Frau in den Siebzigern hatte sich
seine Mutter bemerkenswert gut gehalten. Mit ihrer schlanken Figur
und ihrem sorgfältig ondulierten Haar sah sie mindestens zehn
Jahre jünger aus. «Wer ist gekommen? Ich kenne keinen
Julien.»
    Die Contessa runzelte
die Stirn. «Hat sie dir nichts davon
erzählt?»
    «Falls du die
Principessa meinst — sie hat keinen Julien
erwähnt.»
    «Das wundert
mich.» Die Contessa hatte ihre Fischsuppe ausgelöffelt
und häufte sich abermals eine Portion grünlich violett
schimmerndes Hühnerfleisch auf ihren Teller.
«Worüber redet ihr eigentlich?»
    «Offenbar nicht
über diesen Julien.»
    «Er ist
Sonntagabend mit der Bahn aus Verona gekommen»,
erläuterte die Contessa. «Aber die Principessa hat ihn
noch nicht getroffen. Der junge Mann scheint sehr beschäftigt
zu sein.»
    «Würdest du
mir bitte erklären, von wem die Rede ist?»
    «Von
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