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Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Commissario Tron 5: Requiem am Rialto

Titel: Commissario Tron 5: Requiem am Rialto
Autoren: Nicolas Remin
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es eigentlich keine andere Möglichkeit gab.
Andererseits hatte etwas Böses in der Luft des
Coupés gehangen. Signora Zulani hatte beim Schrubben des
Bodens mehrmals das absurde Gefühl gehabt, als würde
etwas ausgesprochen Ekelhaftes ihre Schultern und ihren Hals
berühren. Sie hatte sich jedes Mal erschrocken umgedreht, aber
da war nichts außer dem Putzeimer und der Leinentasche mit
der Leber.
    Signora Zulani senkte
die Lider, denn es gab kaum etwas Ekelhafteres als den Anblick
ihres mampfenden Gatten. Dann beschloss sie, die ganze
Angelegenheit gründlich zu vergessen.

6
    Der Kaffee, schwarz
wie die Sünde und erstaunlich gut, wurde in der Locanda
Zanetto nicht in Tassen, sondern in angeschlagenen Bechern
serviert, wie sie auf Priesterseminaren oder in Kadettenanstalten
benutzt wurden. Allerdings schien er der Einzige zu sein, der hier
Kaffee trank. Die meisten Gäste hatten Wein- oder
Biergläser in der Hand, einige der stark geschminkten Damen
tranken aus langstieligen Champagnerflöten. Vermutlich, dachte
er, handelte es sich um billigen Prosecco, den man in
Champagnerflaschen gefüllt hatte, und wahrscheinlich hatten
die Herren für eine Flasche dieses fragwürdigen
Gesöffs ein Vermögen ausgeben müssen.
    Er hatte bereits den
sechsten Kaffee getrunken und spürte, wie er langsam in
Stimmung kam. Wie sein Tatendurst erwachte. Der Genuss
von Bier oder Wein ließ ihn jedes Mal dumpf im Kopf werden,
deshalb mied er - bis auf ein gelegentliches Glas Champagner
— den Alkohol seit Jahren. Kaffee hingegen inspirierte ihn.
Manchmal hatte er das Gefühl, dass sein Verstand nach jeder
Tasse klarer und schärfer wurde. So scharf, dachte er, wie das
Rasiermesser, das in der Tasche seines Gehrocks
steckte.        
    Er wandte sich vom
Tresen ab und sah sich um. Die Locanda Zanetto, angeblich das
größte Tanzlokal in Cannaregio, war gut besucht, wenn
auch nicht gerade überfüllt. Das Lokal bestand aus einem
riesigen, L-förmigen Raum, an dessen einer Seite ein
Salonorchester spielte. Gegenüber befand sich ein langer
Tresen, an dem man kalte Speisen und Getränke bekam. Den
größten Teil des Raumes nahm die Tanzfläche ein. An
den Wänden standen Tische ohne Tischdecken, bei den
Stühlen handelte es sich um billige Bugholzstühle. Billig
sahen auch die Gäste an den Tischen aus — kleine
Angestellte und Fremde aus den eher preiswerten Hotels, auf der
Suche nach einem schnellen Abenteuer. Sie tranken Bier oder Wein,
verspeisten gefüllte Oliven, die in kleinen Schälchen auf
dem Tisch standen, und taxierten dabei die Damen, die allein oder
in kleinen Pulks durch die Locanda streiften. 
    Die wenigsten
Gäste hatten sich die Mühe gemacht, ein Kostüm
aufzutreiben. Sie trugen Gehröcke, an die sie scherzhafte
Anstecker aus buntem Papier geheftet hatten, einige Herren hatten
sich Karnevalshütchen aufgesetzt. Er selbst trug einen
Dreispitz aus stoffüberzogener Pappe, den er für
fünfzig Centesimi am Eingang gekauft hatte, dazu eine
Halbmaske, eine schwarze bautta, die seine Augen und einen Teil der
Stirn verdeckte. Mund und Kinn blieben frei, aber da beides weder
markant noch auffällig war, war es unwahrscheinlich, dass sich
irgendjemand an ihn erinnern würde. Geschweige denn in der
Lage war, eine brauchbare Beschreibung von ihm
abzugeben.
    Selbstverständlich war
der Ballo in
Maschera, der hier laut Plakat neben dem
Eingang stattfand, keine elegante Settecento-Veranstaltung, sondern
ein durchsichtiger Vorwand, kurzfristige Bekanntschaften zu
knüpfen. Es war zu vermuten, dass sich in unmittelbarer
Nähe der Locanda Zanetto billige Stundenhotels
befanden.
    Als die Musik
einsetzte und sich die Tanzfläche füllte, stellte er die
leere Kaffeetasse auf den Tresen und nahm seinen Rundgang wieder
auf. Inzwischen schwitzte er unter seiner Halbmaske, und ein Blick
in den Spiegel hatte ihn darüber belehrt, dass er mit seinem
Dreispitz ausgesprochen lächerlich aussah. Aber er würde
nicht den Fehler machen, ihn abzunehmen und seine Maske zu
lüften — sei es auch nur für einen Augenblick. Er
schob sich weiter durch die Menge und ignorierte die
atembeklemmende Glocke aus Zigarettenrauch, Bierdunst und billigem
Parfüm, die über der Locanda hing.
    Es war jetzt kurz nach
Mitternacht. Noch hatte er keine Frau gefunden, deren Figur und
Gesichtsausdruck ihn ansprachen. In der letzten Tanzpause hatte ihm
eine mollige Brünette zugezwinkert, die mit einem Glas Wein in
der Hand vor dem kleinen Podium stand, auf dem
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