Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß

Titel: Commissaire-Llob 2 - Doppelweiß
Autoren: Yasmina Khadra
Vom Netzwerk:
den Zäh-
    nen hat.“
    Mina fand meine Metapher nicht zum Lachen.
    Sie haßt vulgäre Anspielungen.

    Das Haus Nummer 14 an der Place de la Charité ist
    ein prachtvolles architektonisches Schmuckstück
    im Herzen eines futuristischen Square. Die Fuhr-
    leute mit ihren Karren oder die Bäuerchen vom
    Lande wagen sich nie bis dorthin aus Angst, vorher
    von der Polizei abgefangen zu werden. Üppige
    Gärten auf der einen Seite, Parkplätze voll fetter
    Limousinen auf der anderen. Neidhammeln von
    meiner Sorte kann es da leicht passieren, daß der
    Schlag sie trifft.
    Selbst der Hausmeister ist perfekt gestylt. Ehrer-
    bietig und kriecherisch. An dicke Trinkgelder ge-
    wöhnt, wie er ist, brächte er es fertig, um drei Uhr nachts einen Sterbenden, der am Tropf hängt, auf-zuschrecken, nur um ihn mit seinem Lächeln zu
    beglücken.
    „Kann ich Ihnen helfen, Monsieur?“ erbietet er
    sich mit jener heuchlerischen Galanterie, die unter den Gebildeten als Höflichkeit gilt.
    „Wenn Sie nichts Besseres zu tun haben … mein
    Auto bekommt Muffensausen, sobald es alleine ist.
    Wenn Sie so nett wären, ihm den Griff zu halten,
    bis ich wiederkomme.“
    Er willigt ein, ohne mit der Wimper zu zucken.

    9
    Mit achtundfünfzig hat sich Ben Oudas Umfang
    verdreifacht. Die ganzen Liftings haben es nicht
    geschafft, seine Doppelkinne und Hängebacken zu
    straffen, und seine Wampe ergießt sich hemmungs-
    los über seine Knie. Ich schätze, daß er zur Unter-
    stützung seiner Hosenträger einen ziemlichen Kon-
    sum an Stoßdämpfern hat.
    Er empfängt mich in seinem nicht gerade armse-
    ligen Pensionärs-Salon. Ohne Pauken und Trompe-
    ten, ganz so, wie man gute Freunde empfängt.
    „Ein Glas Orangenlimonade, Monsieur Llob?“
    „Ich bin im Dienst.“
    Er bietet mir einen Sessel an und breitet sich
    selbst auf dem Sofa gegenüber aus. Sein Hausman-
    tel schimmert. Einen Augenblick lang gerate ich
    ins Träumen angesichts seiner Fettleibigkeit, ich
    frage mich, ob die Natur nicht allen Ernstes ein
    klein wenig dazu neigt, sich über die Menschen
    lustig zu machen.
    „Ich hoffe, ich habe Ihre kostbare Zeit nicht ü-
    berbeansprucht, Kommissar. Jedermann weiß, wie
    sehr Sie von diesem Krieg, der keine Vernunft an-
    nehmen will, gebeutelt sind.“
    „Halb so wild.“
    Er zieht die Brauen hoch und legt den Kopf
    schief, um mich aus einem anderen Blickwinkel zu
    betrachten. „Sind wir uns nicht schon einmal über
    den Weg gelaufen?“
    Seine Gedächtnislücke überrascht mich. Aber die
    Art von Amnesie ist bei uns gang und gäbe. Es
    scheint, daß einem davon Flügel wachsen.
    „Ich glaube kaum“, erwidere ich von oben herab.
    „Aber Ihre Züge …“
    10
    „Ich verkörpere den kabylischen Durchschnitts-
    typ. Es kommt öfter vor, daß man mich für jemand
    anderen hält.“
    Er läßt das Thema auf sich beruhen. Seine spe-
    ckige Hand umfaßt behutsam ein Whiskyglas, führt
    es an die Lippen.
    „Meine Freunde sind des Lobes voll über Sie,
    Monsieur Llob. Sie sagen vor allem, daß Sie ein
    Mann sind, mit dem man rechnen kann.“
    „Nicht so gut wie mit einem Taschenrechner.“
    Er lacht. Ein Schüttelkrampf. Gerade so wie die
    Götter. Er stellt sein Glas wieder ab, nimmt mich
    voll ins Visier.
    „Ihr letztes Buch hat mich betroffen gemacht. Ich
    habe es zweimal gelesen.“
    „Zu liebenswürdig von Ihnen.“
    „Ich stimme Ihrer Analyse der Lage voll und
    ganz zu, Monsieur Llob.“
    Ich betrachte ein Gemälde von Dinet, das an der
    Wand zwischen zwei Damaszenerklingen hängt,
    und begreife nicht, was ein Objekt, das zum natio-
    nalen Kulturerbe zählt, in einer Privatwohnung
    verloren hat.
    Ben Ouda spült noch einen Schluck Whisky hin-
    unter und schnalzt mit den Lippen. Als er die Beine ausstreckt, quillt sein Bauch unter seinem Mantel
    hervor.
    „Glauben Sie ans Schicksal, Monsieur Llob?“
    „Damit läßt sich so manches entschuldigen.“
    Er wiegt gedankenverloren den Kopf. „Ich habe
    oft das Gefühl, daß mir etwas Besonderes vorher-
    bestimmt ist, Sie nicht?“
    Mit der Hand unterdrücke ich ein Gähnen.

    11
    Er fügt hinzu: „Seit Jahren schon verfolgt mich
    eine Idee, aber ich hatte bisher keine … keine richtige Motivation. Ich gehöre eher zu den Langsa-
    men. Aber die Lage im Land wird immer unüber-
    sichtlicher, und es drängt mich in letzter Zeit zu
    reagieren. Doch leider kommen mir jedesmal,
    wenn ich gerade aktiv werden will, meine Initiati-
    ven plötzlich unüberlegt, ungeeignet und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher