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Commissaire-Llob 1 - Morituri

Commissaire-Llob 1 - Morituri

Titel: Commissaire-Llob 1 - Morituri
Autoren: Yasmina Khadra
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über-
    prüfen die Gästeliste und stellen zu ihrem Bedau-
    ern fest, daß mein Name darauf steht.
    Einen Moment lang versinke ich staunend in den
    Anblick des Günstlingspalastes: ein Erdgeschoß,
    das jeden Emir von Kuwait vor Neid erblassen
    ließe, zwei Etagen, von denen jede mich einzeln
    umhaut. Nichts als Marmor aus Übersee, eine ein-
    zige mörderische Provokation!
    Ich halte eine Schweigeminute und denke daran,
    was die Widerstandskämpfer einst geschworen
    haben, gedenke der hingemordeten Intellektuellen,
    jener Märtyrer des Wissens, und an meine eigenen
    Ideale. Dann erklimme ich mit dem Mut der Flucht
    nach vorn wie der Delinquent, der das Schafott
    besteigt, eine Freitreppe à la Hollywood.
    Ein Hanswurst mit dem Getue eines importierten
    Zeremonienmeisters nimmt mich mit einer Miene
    in Empfang, als bekäme er am frühen Morgen ein
    Strafmandat. Beim Anblick meiner Aufmachung
    springen ihm fast die Augenbrauen aus dem Ge-
    sicht.
    „Für Dienstboten ist der Hintereingang da“, er-
    klärt er mir förmlich.
    „Und was treibst du dann hier vorn?“
    Als er merkt, daß ich stur bleibe, klatscht er ge-
    heimnistuerisch in die Hände. Drei widerwärtige
    Kerle mit bulligen Schädeln und Backenknochen,
    die die Stoßstangen jedes Geländewagens ein-
    schüchtern könnten, tauchen plötzlich vor mir auf.
    „Kommissar Llob“, bremse ich schleunigst ihren
    Ansturm.
    Das trifft den Zeremonienmeister hart. Er stöhnt
    bestürzt auf: „Armes Algerien!“
    Der Salon ist fast genauso groß wie meine Ver-
    bitterung. Mein Magengeschwür beschließt spon-
    tan, wieder zu wachsen. Es sind viele Leute da.
    Jeder trägt seinen Rang zur Schau wie einst sein
    väterlicher Stallknecht den Sattel seines Herrn. Ich
    versuche, sie mit Pinguinen zu vergleichen, wie sie
    da stehen, in ihren strengen Smoking gezwängt,
    aber es gelingt mir nicht. Sie sind so schön, so ele-
    gant, so glücklich. Kein Zweifel, denen da gehört
    die Welt: für sie allein geht die Sonne auf. Der
    Krieg, der das Land mit seinen Verwüstungen ü-
    berzieht, traut sich nicht bis zu ihren Ländereien
    vor. Für sie ist das Ganze nur Umstürzlerei.
    Unter den Gästen erkenne ich einige hohe Tiere
    wieder: Dahmane Faïd, den Milliardär, ein paar
    Abgeordnete, den Schriftsteller Sid Lankabout,
    einige Damen, aufgeputzt wie Christbäume, ein
    paar junge Mädchen, die selbst den Stengel einer
    alten Melone wieder hochbrächten … Und inmitten
    von alledem ich. Wie eine Wanze auf einem flie-
    genden Teppich.
    Ich kann mir noch so oft vorsagen, daß ich zu-
    mindest ehrlich bin, daß mein Gewissen blüten-
    weiß ist und an meinen Ersparnissen kein Blut
    klebt – nichts zu machen. Wie rechtschaffen und
    vernünftig ich auch sein mag, neben diesen Leuten
    da verdiene ich nicht mehr Aufmerksamkeit als ein
    Fußabtreter.
    Bei meinem Anblick hört Sid Lankabout auf, sich
    zwischen den Schönlingen um ihn herum aufzu-
    plustern. „Der hat uns gerade noch gefehlt!“ lese
    ich von seinen Lippen ab.
    „Schau an, schau an“, gurrt es hinter meinem Rü-
    cken, „ist das nicht unser lieber Herr Kommissar?“
    Ich drehe mich um. Es ist Haj Garne. Beim An-
    blick seines scheinheiligen Lächelns krieg ich Ma-
    genkrämpfe.
    Haj Garne ist einer der gefährlichsten Freibeuter
    in den hiesigen trüben Gewässern. Als notorischer
    Perversling, der er ist, brächte ihn sogar ein Aus-
    puffrohr auf allerlei Gedanken. Es heißt, daß unser
    herausragender Anhänger der Analwissenschaften
    sich alles reinzieht, was sich bewegt, mit Ausnah-
    me der Uhrzeiger, und alles was aufrecht steht, mit
    Ausnahme von Meßlatten, überhaupt alles, was
    man angreifen kann, mit Ausnahme eines Ge-
    richtsprotokolls.
    Seine schleimige Hand streichelt instinktiv mein
    Handgelenk und nähert sich dann bedrohlich mei-
    nem Rückenende. Ich weiche vorbeugend zurück.
    Mein Alter und meine erschlaffte Haut würden
    mich nie ausreichend vor seinen fragwürdigen
    Praktiken schützen.
    „Noch immer so mollig, mein Mäuschen?“
    „Das sind die Nerven.“
    Er fährt mit den Fingern über seinen Schurken-
    schnurrbart, mustert ausgiebig meine Verkleidung
    als Bauer im Sonntagsstaat und blickt betrübt
    drein: „Deine Ehrlichkeit hat dich nicht weit ge-
    bracht, lieber Kommissar. Ich hoffe, daß du so
    halbwegs über die Runden kommst.“
    „Im großen und ganzen.“
    Er kichert. Und mustert von neuem mein altes
    Jackett, meine zerknitterte Hose, meine ausgetrete-
    nen Schuhe: „Dein
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