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Colorado Kid

Colorado Kid

Titel: Colorado Kid
Autoren: Stephen King
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seiner Frau, ihren fünf Kindern und den diversen Gläubigern«, erklärte Vince. Sein Computer piepste. »Was ich dir schon länger sagen wollte, Steffi: Du machst das toll mit deiner kleinen Kolumne.«
    »Ja, das stimmt«, pflichtete Dave ihm bei. »Wir haben über zwanzig Leserbriefe bekommen, und nur einer war negativ, aber der war von Edina Steen, der Grammatikpäpstin, und die ist völlig verrückt.«
    »Absolut durch den Wind«, stimmte Vince ihm zu.
    Stephanie lächelte. Sie fragte sich, wie oft man nach der Kindheit so eine ungetrübte, schlichte Freude empfand.
    »Danke«, sagte sie. »Danke euch beiden.«
    Und dann: »Darf ich euch etwas fragen? Geradeheraus?«
    Vince drehte sich in seinem Stuhl herum. »Was du willst, Hauptsache, ich muss mich nicht mit Mrs Dunwoodie und dem Hydranten beschäftigen«, sagte er.
    »Und ich mich nicht mit den nervigen Rechnungen«, ergänzte Dave. »Obwohl die heute noch fertig werden müssen.«
    »Lass dich nicht von dem Papierkram unterkriegen!«, mahnte Vince. »Wie oft habe ich dir das schon gesagt?«
    »Du hast gut reden«, gab Dave zurück. »Du hast seit zehn Jahren keinen Blick mehr in das Rechnungsbuch vom Islander geworfen.«
    Stephanie war nicht bereit, die Männer mit ihrem Gezänk davonkommen zu lassen. »Hört auf damit!«
    Verdutzt schauten die beiden sie an und schwiegen.
    »Dave, du hast diesem Mr Hanratty vom Globe gesagt, du würdest seit gut vierzig Jahren mit Vince beim Islander arbeiten …«
    »Ah jo.«
    »Und du hast ihn 1948 gegründet,Vince.«
    »Stimmt«, bestätigte er. »Bis zum Sommer ’48 hieß die Zeitung The Weekly Shopper and Trading Post und wurde als Gratisblättchen auf einigen Inselmärkten und in größeren Läden auf dem Festland verteilt. Ich war damals jung und starrköpfig und hatte unheimliches Glück. Damals gab es die großen Brände drüben in Tinnock und Hancock. Diese Brände … ich will nicht behaupten, dass sie die Zeitung gerettet haben, auch wenn das einige damals sagten, aber sie haben ihr natürlich einen guten Start beschert. Erst 1956 hatte ich wieder so viele Anzeigen wie im Sommer ’48.«
    »Ihr beide seid also seit über fünfzig Jahren dabei, und in der ganzen Zeit seid ihr niemals auf ein ungelöstes Rätsel gestoßen? Soll ich das wirklich glauben?«
    Dave Bowie machte ein schockiertes Gesicht. »Das haben wir nie behauptet!«
    »He, du warst doch dabei!«, erklärte Vince, gleichermaßen empört.
    Kurz gelang es ihnen, diesen Gesichtsausdruck beizubehalten, doch als Stephanie McCann streng wie die Schulmeisterin in einem Western von John Ford auffordernd von einem zum anderen blickte, war es um sie geschehen. Zuerst begann ein Mundwinkel von Vince Teague zu zucken, dann flackerte Dave Bowies Auge. Bis dahin hätten sie es noch geschafft, doch dann machten sie den Fehler, sich anzusehen, und kurz darauf lachten sie los, als wären sie die ältesten Lausbuben der Welt.
     

3

    »Du hast ihm doch von der Pretty Lisa erzählt«, sagte Dave zu Vince, als er sich wieder unter Kontrolle hatte. Die Pretty Lisa Cabot war ein Fischerboot, das in den zwanziger Jahren am Ufer der Nachbarinsel Smack Island mit einem toten Matrosen im Bug angespült worden war. Ohne eine Spur von den anderen fünf Mann Besatzung. »Was glaubst du, wie oft Hanratty diese Geschichte hier an der Küste schon gehört hat?«
    »Keine Ahnung, was glaubst du denn, wo er überall gewesen ist, bevor er zu uns kam?«, konterte Vince, und sofort wieherten die beiden wieder los, brüllten johlend, Vince schlug sich auf sein knochiges Knie, Dave klopfte sich auf die breiten Oberschenkel.
    Mit gerunzelter Stirn beobachtete Stephanie die Männer, weder erzürnt noch erheitert (na ja, ein bisschen schon), und versuchte die Ursache ihrer guten Laune zu ergründen. Sie hatte gedacht, die Geschichte der Pretty Lisa Cabot eigne sich zumindest für eine Folge einer achtteiligen Serie über – tata! – UNGEKLÄRTE RÄTSEL NEUENGLANDS. Doch da Stephanie weder dumm noch unsensibel war, hatte sie deutlich gespürt, dass Mr Hanratty die Lisa Cabot nicht gut genug gewesen war. Und nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen, hatte er die Geschichte auf seinen vom Globe finanzierten Reisen an der Küste zwischen Boston und Moose-Look schon längst gehört, wahrscheinlich nicht nur einmal.
    Vince und Dave nickten zustimmend, als sie ihnen ihren Eindruck schilderte. »Ah jo«, sagte Dave. »Hanratty kommt vielleicht von weiter her, aber er ist trotzdem nicht faul oder
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