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Code Freebird

Code Freebird

Titel: Code Freebird
Autoren: Administrator
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blieben die Bekennerschreiben oder Forderungen?
    Das Klingeln der Türglocke unterbrach Levy abrupt in seinem Gedankenfluss. Mürrisch betätigte er die Gegensprechanlage, die wie nahezu alles in seiner Wohnung über den Computer gesteuert wurde.
    »Wer stört?«, fragte er.
    »Hortensia hier. Kann ich raufkommen?«
    Levy überlegte. Eigentlich wollte er in Ruhe arbeiten. Aber seine Chefin konnte er nicht abweisen. Er betätigte den Öffner. »Elfter Stock. Nimm den Aufzug.«
    Wenig später stand sie in der Tür, in der Hand eine Tüte mit frischen Brötchen.
    »Ich dachte, ich schau mal vorbei und versorge dich mit Frühstück«, sagte sie, trat ein und hauchte einen Kuss auf seine Wange.
    Levy zuckte zurück. Nicht, weil ihm seine verletzte Gesichtshälfte noch Schmerzen bereitete, sondern wegen der plötzlichen Nähe, die die sonst so bestimmt und forsch auftretende Michaelis seit seinem Krankenhausaufenthalt ihm gegenüber herzustellen versuchte. Er konnte sich nicht erklären, wieso gerade er, den sie in ihrem ersten gemeinsamen Fall nach allen Regeln der Kunst heruntergemacht hatte, nun Ziel ihrer Zuneigung war. War es nur Dank, dass er sie vor dem sicheren Feuertod und dem Ritual Anubis’ gerettet hatte, oder drang ihre verborgene Seite durch, Schwachen und Verletzten zu helfen? Er hatte einmal beobachtet, wie sie sich aufopfernd um ihre kranke Schwester gekümmert hatte, die an Mukoviszidose litt. Gehörte er nun auch zu ihrer Familie?
    »Kaffee?«, fragte er.
    »Gerne. Mit Milch und Zucker, bitte.«
    Während Levy eine Tasse füllte, schaute Michaelis sich in der Wohnung um. Sie war das erste Mal bei ihm zu Besuch.
    »Spartanisch«, resümierte sie, »nicht viel, was auf einen sesshaften Geist schließen ließe.«
    »Ich bin noch nicht angekommen«, antwortete er und reichte ihr die Tasse.
    »Aber du lebst doch schon seit ein paar Jahren in Hamburg. Oder hab ich da was falsch verstanden?«
    »Das mit dem angekommen ist auch eher mental gemeint.«
    Die kryptische Antwort ließ sie rätseln. »Muss ich das jetzt verstehen?«
    »Nein«, schmunzelte er, »es ist nur so ein Gefühl, das ich nicht loswerde.«
    Michaelis zeigte sich besorgt. »Hast du noch Schmerzen?«
    Levy verneinte. »Es verheilt gut. Das ist nicht das Problem.«
    Sie fragte nicht nach, wartete, bis er von selbst begann zu erzählen. Levy registrierte es, war sich aber nicht sicher, ob er darauf eingehen sollte.
    »Es geht um deinen Bruder«, sagte sie schließlich. »Frank ist das Problem. Hast du ihn nochmal gesehen, seit … du weißt schon.«
    Es war eindeutig zu früh, dieses Thema zu besprechen. Er hatte es ja noch nicht mal geschafft, mit seinem Therapeuten eine halbwegs passable Ausgangsbasis für das Problem Frank zu definieren.
    »Er liegt noch im Koma«, antwortete er. »Wenn’s nach mir ginge, dann könnte er auch ewig in diesem Zustand bleiben.«
    »Aber er wird es nicht bleiben. Eines Tages …«
    »Ich weiß«, antwortete er knapp und heftig.
    Sie zuckte angesichts der barschen Abfuhr zusammen.
    »Tut mir leid«, entschuldigte er sich.
    »Nein, mir tut es leid«, sagte sie und ging auf ihn zu. Sie berührte vorsichtig seine Wangen.
    Er hielt still. Wenn sie aber noch einen Schritt weiter ging, dann würde er auf mehr Distanz in dieser einseitigen Beziehung bestehen. Nicht, dass sie in irgendeiner Art unattraktiv war, im Gegenteil, der blonde Wildschopf und die grünen Augen waren umso anziehender, je näher sie ihm kam, doch das Letzte, was er wollte, war, zu ihrem zweiten Pflegefall zu werden.
    »Habt ihr was Neues?«, fragte er und beendete damit den kurzen Moment der Nähe.
    Sie verstand und verbarg die Enttäuschung hinter einem gezwungenen Lächeln. Dann drehte sie sich weg, ging zur Fensterfront, die sich über die ganze Breite des Lofts erstreckte. Während sie hinunter auf die Straße blickte, räusperte sie sich und versuchte, in die Rolle der Chefin zurückzufinden. Es gelang ihr gewohnt schnell, und ihre Aufmerksamkeit wandte sich wieder dem Fall zu.
    »Dragan arbeitet mit Hochdruck daran, aus der Phantomzeichnung, die nach den Aussagen der Kassiererin des Kinos erstellt wurde, und aus den Resten vom Tatort das Gesicht des Mannes zu rekonstruieren. Papiere, persönlicher Schmuck, Handy oder sonstige private Gegenstände hatte das Opfer nicht dabei, oder sie sind bei der Explosion restlos zerstört worden. Die DNA jagen wir derzeit durch alle Datenbanken. Bisher aber ohne Ergebnis. Das Einzige, was wir sicher sagen
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