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Club Dead

Club Dead

Titel: Club Dead
Autoren: Charlaine Harris
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sollte er jetzt nicht sehen dürfen!
    Ich wollte auf gar keinen Fall weinen - also drehte ich mich auch dann nicht zu meinem Liebsten um, als ich dessen Hand auf meiner Schulter spürte.
    „Ich muß dir etwas sagen", sagte Bill mit seiner kalten, glatten Stimme. Ich hatte gerade begonnen, mir die Handschuhe überzustreifen, eine Tätigkeit, die ich nun einstellte, auch wenn ich Bill immer noch nicht ansah. Ich wußte nicht, ob ich seinen Anblick ertragen hätte. Was er zu sagen hatte, würde er meiner Rückansicht mitteilen müssen.
    „Wenn mir irgend etwas zustößt", fuhr er fort (und da hätte ich eigentlich stutzig werden müssen, da hätte ich anfangen müssen, mir Sorgen zu machen), „wenn mir etwas zustößt, dann mußt du das Versteck aufsuchen, das ich mir in deinem Haus eingerichtet habe. Eigentlich solltest du da meinen Computer sowie einige Disketten vorfinden. Sag niemandem etwas davon. Sollte der Rechner nicht im Versteck sein, dann sieh bitte hier im Haus nach, ob er hier ist. Komm tagsüber. Komm bewaffnet. Nimm den Computer und alle Disketten, die du finden kannst und verstecke sie in der Fluchthöhle, wie du mein Versteck ja immer nennst."
    Ich nickte. Das konnte Bill auch von hinten unmöglich übersehen. Meiner Stimme mochte ich einfach nicht trauen.
    „Falls ich in - falls ich, sagen wir mal, in acht Wochen noch nicht zurück bin und du auch nichts von mir gehört hast, dann gehst du zu Eric, erzählst ihm alles, was ich dir heute gesagt habe und stellst dich unter seinen Schutz."
    Ich sagte gar nichts. Noch war ich zu erschüttert, zu traurig, um wütend zu werden, aber lange würde es nicht mehr dauern, bis bei mir die Sicherung durchbrannte. Mit einem heftigen Nicken, bei dem mir mein Pferdeschwanz mehrmals den Nacken streifte, nahm ich Bills Worte zur Kenntnis.
    „Ich werde bald schon nach ... Seattle aufbrechen", fuhr Bill fort. Seine kalten Lippen streiften die Stelle in meinem Nacken, gegen die zuvor mein Pferdeschwanz geschlagen war.
    Er log.
    „Wir reden, wenn ich wieder da bin."
    Nach einer berauschenden Perspektive hörte sich das nicht an. Im Gegenteil: Es klang unheilvoll.
    Ich neigte erneut den Kopf; sprechen konnte ich nach wie vor nicht, denn inzwischen kullerten bei mir auch die Tränen. Eher wollte ich sterben als Bill sehen lassen, daß ich weinte!
    So verließ ich ihn - in jener kalten Dezembernacht.
    * * *
    Am nächsten Tag fuhr ich auf dem Weg zur Arbeit einen Umweg, was keine gute Idee war. Ich war in einer Stimmung, die einen dazu bringt, extra Dinge zu tun, die einem beweisen, daß das Leben ein Jammertal ist. Ich hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und fühlte mich eigentlich schon schlecht genug; trotzdem beharrte eine innere Stimme darauf, daß sich die Dinge problemlos auch noch schlimmer machen ließen; ich brauchte lediglich die Magnolia Creek Road entlangzufahren. Natürlich tat ich das dann auch.
    Belle Rive, das uralte Anwesen der Bellefleurs, glich einem Ameisenhaufen: Selbst an diesem kalten, unwirtlichen Tag wurde überall geschäftig gearbeitet. In der Auffahrt dieses noch aus der Zeit vor dem Bürgerkrieg stammenden prächtigen Hauses parkten der Wagen einer Schädlingsbekämpfungsfirma, der Firmenwagen eines Kücheneinrichters und der Lastwagen einer Tischlerei. Für Caroline Holliday Bellefleur, die uralte Dame, die seit gut achtzig Jahren über Belle Rive herrschte (und zu einem Gutteil noch dazu über ganz Bon Temps), war das Leben derzeit eitel Freude und Betriebsamkeit. Ich fragte mich, was ihre Enkel, die Anwältin Portia und der Polizist Andy, von all den Veränderungen halten mochten, die in Belle Rive vonstatten gingen. Die beiden hatten ihr gesamtes Leben als Erwachsene im Haus ihrer Großmutter verbracht (genau wie ich). Wahrscheinlich freuten sie sich zumindest darüber, daß die alte Dame an der Renovierung ihres alten Prachtbaus soviel Freude hatte.
    Meine eigene Großmutter war wenige Monate zuvor umgebracht worden.
    Womit die Bellefleurs natürlich nicht das Geringste zu tun gehabt hatten. Noch dazu hatten weder Andy noch Portia Grund, ihre Freude am neugewonnenen Reichtum ihrer Familie mit mir zu teilen. Im Gegenteil; beide mieden mich wie die Pest. Sie standen tief in meiner Schuld, was sie auf den Tod nicht ausstehen konnten. Dabei ahnten sie nicht einmal, wieviel sie mir schuldeten!
    Den Bellefleurs war eine mysteriöse Erbschaft in den Schoß gefallen. Irgendwo in Europa war ein Verwandter von ihnen auf 'geheimnisvolle Weise'
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