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Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)

Titel: Chronik des Cthulhu-Mythos I (German Edition)
Autoren: H. P. Lovecraft
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andere Richtung gezerrt wurde. Eine verschwand links in einer engen Gasse, hinterließ bloß den Widerhall eines entsetzlichen Stöhnens. Eine zweite marschierte in den von Unkraut überwucherten Eingang zu einer U-Bahn-Station hinein und heulte mit irrem Lachen.
    Mein eigener Trupp wurde aufs offene Land hinausgetrieben, und schon bald verspürte ich ein Frösteln, das nicht von dieser heißen Herbstnacht verursacht wurde, denn während wir ins dunkle Moor hineinschritten, zeigte sich um uns her das höllische Mondglitzern des unheilvollen Schnees. Unberührter, rätselhafter Schnee, der nur in eine Richtung geweht wurde, hin zu einer Schlucht, die durch die sie umgebenden glitzernden Wände in noch tieferes Schwarz getaucht wurde. Der so kümmerlich wirkende Trupp trottete schlafwandlerisch in diese Schlucht hinein. Ich zögerte, blieb zurück, denn der schwarze Spalt in dem grün beleuchteten Schnee jagte mir grässliche Angst ein und ich glaubte, das Echo eines beunruhigenden Klagens zu hören, als meine Begleiter verschwanden. Meine Widerstandskraft war jedoch gering. Als hätten mich die, die vorangegangen waren, weitergelockt, schwebte ich geradezu zwischen den gewaltigen Schneedriften umher, zitternd und voller Furcht, immer weiter in den lichtlosen Strudel des Unvorstellbaren.
    Schreiendes Bewusstsein, fiebernder Stumpfsinn – nur die Götter, die dort verweilten, können es erklären. Ein ausgemergelter, empfindsamer Schatten ringelt sich in Händen, die keine Hände sind, wirbelt blindlings vorbei an grausigen Mitternächten verwesender Schöpfung, die Leichen toter Welten, bedeckt mit Geschwüren, die einstmals Städte gewesen sind. Leichenhauswinde, die an den bleichen Sternen entlangstreifen und sie flackern lassen. Hinter den Welten undeutliche Spukgestalten monströser Dinge: halb sichtbare Säulen von lästerlichen Tempeln, die auf unbeschreiblichen Felsen unter dem All ruhen und hinaufreichen bis in den schwindelerregenden luftleeren Raum über den Sphären von Licht und Finsternis. Und durch dieses widerwärtige Grab des Universums dröhnt das gedämpfte, in den Wahnsinn treibende Schlagen von Trommeln und das dünne, monotone Wimmern blasphemischer Flöten aus unfassbaren, unerleuchteten Kammern jenseits der Zeit. Zu diesem abscheulichen Getrommel und Gepfeife tanzen langsam, unbeholfen und grotesk die gigantischen, düsteren, allerletzten Götter der blinden, stummen, blöden Scheusale, deren Seele Nyarlathotep ist.

Vorwort zu »Stadt ohne Namen« (The Nameless City)
    Diese auf einem Traum Lovecrafts beruhende Erzählung stammt vom Januar 1921 und erschien noch im November des gleichen Jahres in der amateurjournalistischen Zeitschrift The Wolverine 11 (danach erst wieder 1936 in den halbprofessionellen Fanciful Tales 1/1; mehrere große Magazine hatten den Text abgelehnt). Einöden, Wüsten, leere Räume haben es Lovecraft immer angetan. Sie sind Gegenpole zur heimeligen, überschaubaren Welt der Zivilisation. Der »Epikuräer des Schreckens« (ein Begriff aus Lovecrafts Erzählung ›The Picture in the House‹), den Lovecraft immer ganz autobiografisch nach seinen eigenen Interessen und Vorlieben gestaltet, sucht in der Einöde des südlichen Arabien die Konfrontation mit dem dunklen Geheimnis, mit den Relikten einer anderen Welt, die dem Menschen die Relativität seiner Standpunkte und Werte vor Augen führt. Der Erzähler ist hier, wie fast immer bei Lovecraft, ein Einzelgänger, ein Suchender, der mehr findet, als er gesucht hat, und den Preis seines verbotenen Wissens zahlen muss. Autobiografische Bezüge liegen wie gesagt auf der Hand, obwohl Lovecraft sich große Reisen nie leisten konnte (nur in den USA und Kanada ging er, wann immer er konnte, auf Spurensuche nach der Vergangenheit).
    Die extremen Unwahrscheinlichkeiten und Inkonsequenzen von ›The Nameless City‹ werden nur verständlich, wenn der fundamentale Traumcharakter der Geschichte in Erinnerung bleibt. Von den arabischen Überlieferungen über untergangene Städte wusste Lovecraft einmal aus den Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht, die ihm seit seiner frühesten Kindheit vertraut waren, aber auch aus den vielen Nachschlagewerken, die er sammelte, so namentlich seiner geerbten 24-bändigen Encyclopaedia Britannica (9. Aufl., Chicago 1896), einer wichtigen Quelle seiner mannigfaltigen Bildung. In seinem literarischen Notizbuch (›Commonplace Book‹) hat sich Lovecraft lange Passagen über das vorislamische Arabien und
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