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Chamäleon-Zauber

Titel: Chamäleon-Zauber
Autoren: Piers Anthony
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Mann heiraten, der schon so bald ins Exil gehen mußte?
    Warum hatte er nicht daran gedacht, bevor er sie hierhergebracht hatte? Er konnte sich doch nur blamieren! Nun mußte er ihr irgend etwas sagen oder sich noch mehr blamieren
    und es dadurch auch für sie noch peinlicher machen. »Ich wollte nur etwas sehen, dein… dein…«
    »Mein was sehen?« fragte sie mit einer hochgezogenen Augenbraue.
    Er spürte, wie ihm die Hitze den Hals hochstieg. »Deine Holographie«, platzte er heraus. Er wollte noch vieles mehr von ihr sehen und berühren, aber das konnte erst nach der Heirat kommen. Sie war solch ein Mädchen, und das war ein Teil ihres Charmes. Die Mädchen, die so etwas an sich hatten, brauchten sich nicht anders zu geben.
    Na ja, ganz stimmte das doch nicht. Er dachte an Aurora, die eigentlich genauso war und die doch…
    »Bink, es gibt einen Weg«, sagte Sabrina.
    Er blickte sie von der Seite an, dann sah er hastig und verwirrt fort. Sie konnte doch wohl nicht vorschlagen…
    »Der Gute Magier Humfrey«, fuhr sie fort.
    »Was?« Er hatte gerade an etwas anderes gedacht, was nicht eben für sein Wunschdenken sprach.
    »Humfrey kennt hundert Zauber. Vielleicht kann einer von ihnen… Ich bin sicher, daß er herausbekommen kann, worin dein Talent besteht. Dann wäre doch alles in Ordnung.«
    Oh. »Aber er verlangt doch einen Jahresdienst für einen einzigen Zauber«, protestierte Bink. »Ich habe nur noch einen Monat.« Aber das war nicht ganz richtig. Wenn der Magier an Bink ein magisches Talent entdecken sollte, dann würde er nicht exiliert werden und ein Jahr zur Verfügung haben. Er war tief gerührt von Sabrinas Glauben an ihn. Sie sagte nicht das, was die anderen sagten: daß er kein Talent zur Magie habe. Sie machte ihm das große Kompliment, daran zu glauben, daß seine magischen Fähigkeiten nur noch nicht entdeckt worden waren.
    Vielleicht war es dieser Glaube, der ihn zuerst zu ihr hingezogen hatte. Gewiß, sie war schön und klug und talentiert, in jeder Hinsicht großartig. Doch sie hätte auch viel weniger von all dem haben können, und doch wäre sie seine…
    »Ein Jahr ist nicht sehr lang«, murmelte Sabrina. »Ich würde warten.«
    Bink starrte auf seine Hände hinab und dachte nach. Seine rechte Hand war normal und unversehrt, aber er hatte den Mittelfinger seiner linken bei einem Unfall in der Kindheit verloren. Es war nicht einmal das Ergebnis feindlicher Magie gewesen: Er hatte mit einem Beil gespielt, einen Halm Rollgras festgehalten und so getan, als sei es der Schwanz eines Drachen. Schließlich konnte ein Junge gar nicht früh genug damit anfangen, sich auf die ernsteren Seiten des Lebens vorzubereiten. Das Gras war seinem Griff entglitten, und er hatte genau in dem Augenblick danach gegriffen, als das Beil heruntergesaust war.
    Es hatte weh getan, aber das schlimmste daran war gewesen, daß er mit dem Beil nicht hatte spielen dürfen, deshalb hatte er weder geschrien noch von seiner Verletzung zu erzählen gewagt. Er hatte sich mit gewaltiger Anstrengung beherrscht und schweigend gelitten. Er hatte den Finger vergraben und seine verletzte Hand tagelang dadurch versteckt gehalten, daß er sie geschlossen hielt. Als die Wahrheit schließlich entdeckt wurde, war es zu spät für einen Heilzauber gewesen. Der Finger war verfault und konnte nicht wieder angefügt werden. Ein wirklich kräftiger Zauber hätte ihn vielleicht wieder befestigen können, aber es wäre immer noch ein Zombiefinger geblieben.
    Man hatte ihn nicht bestraft. Seine Mutter Bianca war der Meinung, daß er seine Lektion gelernt habe – und das hatte er, das hatte er! Wenn er noch einmal heimlich mit einem Beil spielen sollte, dann würde er schon aufpassen, wo seine Finger blieben. Sein Vater schien insgeheim zufrieden gewesen zu sein, daß Bink sich so tapfer und zäh gehalten hatte, selbst als er etwas ausgefressen hatte. »Der Junge hat Nerven«, hatte Roland gesagt. »Wenn er nun nur noch magisches Talent hätte…«
    Bink riß seinen Blick von der Hand fort. Das war vor fünfzehn Jahren gewesen. Plötzlich schien ein Jahr wirklich sehr kurz zu sein. Ein Jahr Dienst – im Austausch für ein Leben mit Sabrina. Das war schon ein Geschäft!
    Aber – angenommen, er besaß kein magisches Talent? Sollte er ein Jahr dafür opfern, um hinterher in die graue, fade Welt der Magieunbegabten hinausgestoßen zu werden? Oder wäre es vielleicht besser, das Exil auf sich zu nehmen und sich der fruchtlosen Hoffnung hinzugeben,
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