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Casting fuer die Liebe

Titel: Casting fuer die Liebe
Autoren: Anna Ludwig
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dass ich für einen kurzen Augenblick das Gefühl habe, dass es heute wirklich was mit Mathe werden könnte!
    »Lineare Gleichungen!«, antworte ich wild entschlossen und klatsche schwungvoll mein Heft auf den Tisch. Ich sehe mich schon vor mir mit meiner Schulaufgabe in der Hand – eine fette, schön geschwungene Zwei am rechten oberen Blattrand!
    Dann wird es erst mal ruhig im Zimmer. Nur der Betty-Boop-Wecker auf meinem Nachttischkästchen tickt leise vor sich hin.
    Wir starren beide auf die geheimnisvollen Formeln, die wir am Vormittag von der Tafel abgeschrieben haben.
    Isabel schiebt die Unterlippe vor. Ich kratze mich im Nacken.
    Mein Blick fällt auf den Monitor neben mir, der uns wie ein riesiges schwarzes Auge anglotzt.
    »Komm, wir gucken, ob es was Neues auf der Website von
Room 16
gibt!«, unterbricht Isabels Stimme die Stille.
    Ich tue erst mal so, als wäre ich ein bisschen entsetzt über diesen Vorschlag
    »Nur ganz kurz!«, bettelt Isabel. »Danach können wir immer noch Mathe lernen!«
    »Überredet!«, antworte ich dann schnell und drücke, ohne noch eine Sekunde länger zu zögern, auf die Starttaste meines Computers.

    Mein Browser ist leider irre langsam und Isabel trommelt ungeduldig mit den Fingerkuppen auf die Tischplatte, bis sich die Seite vollständig aufgebaut hat.
    »Hey, was ist das denn?« Isabel tippt aufgeregt auf den großen neongelben Stern, der blinkend auf der Startseite erscheint.
    »Ich würde sagen, ein fetter Fleck auf meinem Bildschirm, du Ferkel!«, schimpfe ich und wische mit dem Ärmel über den Fingerabdruck, den Isabel auf meinem Monitor hinterlassen hat.
    »Spießerin!«, grummelt Isabel. »Jetzt schau doch mal, was das hier für ein Banner ist!«
    Folgsam fange ich an zu lesen. »Jetzt bewerben!«
    Der Stern verschwindet kurz, um gleich darauf noch greller aufzuleuchten.
    »Casting bei
Room 16
!« steht jetzt darin.
    Und noch einmal verglüht der Stern und schickt kurz darauf eine letzte verheißungsvolle Botschaft in die unermesslichen Weiten des Internets.
    »Am Freitag, den 22. Dezember in München!« Das ist der erste Tag in den Ferien.
    Isabels Hand legt sich auf meinen Unterarm.
    »Schnell, klick weiter!«, raune ich ihr zu und merke, wie sich mein Puls bereits merklich beschleunigt.
    »
Room 16
drehen ihren ersten Videoclip!«, lesen wir auf der nächsten Seite. »Bist du dabei?«
    Und dann weiter:
    »Wir suchen Mädchen im Alter zwischen 12 und 16 Jahren. Mädchen, die Musik und vor allem
Room 16
lieben.
    Gefragt sind eine tolle Ausstrahlung, Begeisterungsfreude und Leidenschaft. Vorkenntnisse nicht erforderlich. Keine Modeltypen.«
    Und wieder ist in meinem Zimmer kein Geräusch zu hören. Nur das Blut in meinen Ohren rauscht mit meinem Computer um die Wette. Und mein Herz wummert so heftig, dass es mir schon fast peinlich ist.
    Diesmal bin ich diejenige, die das Schweigen bricht.
    »Die meinen uns«, flüstere ich Isabel zu.
    »Worauf du Gift nehmen kannst«, erwidert Isabel trocken.

    Ist ja klar, wie der Nachmittag weiter verläuft. Lineare Gleichungen spielen dabei jedenfalls nur eine sehr bescheidene Rolle. Als stumme Statisten liegen sie auf meinem Schreibtisch, während Isabel und ich uns eine wahrhaft bühnenreife Darbietung von Leidenschaft und Begeisterungsfreude liefern.
    Endlich müssen wir nicht mehr auf den Zufall hoffen und womöglich vergeblich darauf warten, dass Philipp und Dominik uns irgendwo begegnen! Wir haben
beinahe
so etwas wie ein Date mit ihnen! Am 22. Dezember in München werden wir unseren Lieblingen von Angesicht zu Angesicht gegenüberstehen. Ach, wenn es doch nur schon morgen wäre!

    »Was meinst du, müssen wir beim Casting tanzen?«, fragt Isabel. Sie wirbelt an einer imaginären Stange dreimal im Kreis durch mein Zimmer und stößt sich zuletzt den Fuß an meinem Schreibtischstuhl.
    »Steht zwar nichts davon da, aber ich könnte es mir schon vorstellen. Nur vermutlich ohne Gipsbein«, antworte ich und befühle gemeinsam mit Isabel ihren angeschlagenen linken Zeh. Mir kommt er etwas krumm vor, aber Isabel versichert glaubhaft, dass das der Normalzustand aller ihrer Zehen sei.

    Vielleicht ist es doch besser, dass heute der 8. und nicht der 21. Dezember ist. Es dürfte nicht schaden, wenn wir uns noch ein bisschen auf das Casting vorbereiten!
    »Sollten wir nicht vielleicht in Jazzdance gehen oder so?«, schlage ich vor.
    »An unserer Schule gibt’s doch als Wahlfach
Modern Dance
«, meint Isabel.
    »Glaubst du, man kann da
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