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Carre, John le

Carre, John le

Titel: Carre, John le
Autoren: Schatten von gestern (Smiley Bd 1)
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Identität aufgab.
    Das Taxi
bog in Cambridge Circus ein, und Smiley setzte sich mit einem Ruck auf. Es fiel
ihm ein, warum der Diensthabende angerufen hatte, und diese Erinnerung riß ihn
brutal aus seinen Träumen. Er entsann sich des Gespräches Wort für Wort, eine
Fähigkeit, die er sich vor langer Zeit erworben hatte.
    »Hier ist
der diensthabende Beamte, Smiley. Ich verbinde mit dem Chef . . .«
    »Smiley,
hier ist Maston. Sie haben doch am Montag Samuel Arthur Fennan einvernommen,
ist das richtig?«
    »Ja ...
ja, das stimmt.«
    »Um was
hat es sich gehandelt?«
    »Ein
anonymer Brief, in dem er beschuldigt wurde, in Oxford bei der Partei gewesen
zu sein. Es war eine Routine-Einvernahme, die der Sicherheitsdirektor angeordnet
hatte.«
    (Fennan
kann sich doch unmöglich beschwert haben, dachte Smiley. Es war doch gar
nichts Irreguläres, überhaupt nichts.)
    »Sind Sie
auf ihn losgegangen? War es feindselig, Smiley, sagen Sie mir das.«
    (Gott
bewahre, das klingt ja, als ob er Angst hätte. Fennan muß das ganze Kabinett
auf uns gehetzt haben.)
    »Nein, es
war eine besonders freundschaftliche Einvernahme. Ich glaube, daß wir einander
sympathisch waren. Aber trotzdem, ich bin in einem Punkt über meinen Auftrag
hinausgegangen.«
    »Wie denn,
Smiley, wie?«
    »Ja, ich
habe ihm mehr oder weniger gesagt, daß er sich keine Sorgen machen soll.«
    »Wie
bitte?«
    »Ich sagte
ihm, er solle sich keine Sorgen machen. Er war sichtlich ziemlich aufgeregt,
deshalb habe ich das gesagt.«
    »Was haben
Sie ihm gesagt?«
    »Ich
sagte, ich hätte keinen Einfluß und auch der Dienst nicht. Aber ich könnte
keinen Grund dafür sehen, daß wir ihn weiter belästigen sollten.«
    »Ist das
alles?«
    Smiley
schwieg einen Augenblick. So hatte er Maston noch nie kennengelernt und sich
selbst noch nie so abhängig gefühlt.
    »Ja, das
ist alles, absolut alles.« (Das wird er mir nie vergeben. Die ganze wohl
einstudierte Gemessenheit, die cremefarbenen Hemden und silbergrauen
Krawatten, seine smarten Dejeuners mit Ministern waren beim Teufel.)
    »Er
behauptet, daß Sie seine Loyalität in Zweifel gezogen haben, daß seine Karriere
im Außenamt ruiniert ist, daß er das Opfer von bezahlten Denunzianten ist.«
    »Was sagt
er? Er muß ja vollständig übergeschnappt sein. Er weiß doch ganz genau, daß
wir keinen Verdacht gegen ihn haben. Was will er denn noch?«
    »Nichts.
Er ist tot. Heute abend um 10 Uhr 30 hat er sich umgebracht. Und einen Brief
für den Außenminister hinterlassen. Die Polizei hat einen von den Sekretären
angerufen und die Erlaubnis bekommen, ihn aufzumachen. Dann haben sie uns
verständigt. Es wird eine Untersuchung geben. Sie sind Ihrer Sache doch sicher,
Smiley, nicht wahr?«
    »Sicher?
Warum?«
    ». . .
schon gut. Kommen Sie so schnell wie möglich her.«
    Es hatte
endlos gedauert, bis er ein Taxi bekam. Bei drei Standplätzen hatte er
angerufen, ohne daß sich jemand meldete. Endlich reagierte der Standplatz
Sloane Square, und Smiley wartete in seinen Mantel gehüllt am Fenster seines
Schlafzimmers, bis er den Wagen vorfahren sah. Diese unwirkliche Beklemmung in
der Stille der Nacht erinnerte ihn an die Luftangriffe in Deutschland.
    Bei
Cambridge Circus ließ er den Wagen hundert Meter vom Amt entfernt halten, teils
aus alter Gewohnheit, teils, um sich vor dem zu erwartenden fieberhaften
Frage-und-Antwort-Spiel mit Maston einen klaren Kopf zu schaffen.
    Er wies
dem diensthabenden Polizisten seine Legitimation vor und ging langsam zum
Lift.
    Als er
ausstieg, begrüßte ihn der Diensthabende voll Erleichterung, und sie gingen
zusammen den hellen cremefarbenen Korridor entlang.
    »Maston
ist in Scotland Yard, um mit Sparrow zu reden. Es gibt ein Tauziehen darum,
welche Abteilung der Polizei den Fall behandeln soll. Sparrow sagt, die Sonderabteilung,
Evelyn sagt C.I.D., und die Polizei von Surrey weiß nicht, wo ihr der Kopf
steht. Eine peinliche und verwickelte Angelegenheit. Kommen Sie mit und
trinken Sie eine Tasse Kaffee in der Ehrenhalle des Diensthabenden. Er ist aus
der Thermosflasche, aber ganz gut.«
    Smiley war
froh, daß gerade an diesem Abend Peter Guillam Dienst hatte. Er war ein
kultivierter und zuvorkommender Mann, der sich auf Satelliten-Spionage
spezialisiert hatte, ein Mann von der Art der freundlichen Geister, die immer
ein Taschenmesser und einen Fahrplan bei der Hand haben.
    »Die
Sonderabteilung hat um o Uhr 5 angerufen. Fennans Frau war ins Theater gegangen
und fand ihn erst, als sie um
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