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Camp Concentration

Camp Concentration

Titel: Camp Concentration
Autoren: Thomas M. Disch
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Worte, auch wenn sie ursprünglich meine eigenen waren. Ich antwortete nicht darauf und stellte auch keine Fragen mehr.
    Mordecai ließ sich schwer auf die Couch fallen. »Sacchetti, das Zimmer hier ist der letzte Dreck. Unsere haben am Anfang genauso ausgesehen, aber das brauchen Sie sich nicht gefallen zu lassen. Sagen Sie Haast, daß Sie etwas Eleganteres wollen. Sagen Sie, daß die Vorhänge Ihrer Gehirntätigkeit abträglich sind. Wenn es um Dinge wie Zimmereinrichtung geht, haben wir hier Carte blanche. Nützen Sie das aus.«
    »Verglichen mit Springfield ist das hier recht komfortabel. Und übrigens auch verglichen mit allen Zimmern, in denen ich früher gewohnt habe, ausgenommen mein eintägiger Aufenthalt im Ritz.«
    »Hm, Dichter verdienen nicht so schrecklich viel, was? Wetten, daß ich mir mehr leisten konnte als Sie? Ich meine, bevor ich eingezogen wurde. Diese Scheißkerle! Ein großer Fehler, daß ich mich einziehen ließ!«
    »Sind Sie auch aus dem Militärgefängnis ins Lager Archimedes gekommen? Genau wie George?«
    »Ja. Hab’ einen Offizier verprügelt. Der Schweinehund hat’s verdient. Sie verdienen’s alle, aber sie bekommen’s nie heimgezahlt. Ausgenommen dieses Schwein. Ich hab’ ihm zwei Zähne eingeschlagen. Üble Szene. Aber im Bau war’s noch schlimmer, da machen sie dich fertig, wenn du dir so was geleistet hast. Also hab’ ich mich freiwillig gemeldet. Das war vor sechs oder sieben Monaten. Manchmal denke ich, ein so großer Fehler war das eigentlich gar nicht. Ich denke dabei an den ›Stoff‹, den sie uns hier geben. LSD ist nichts dagegen. Wenn man das nimmt, bildet man sich nur ein, alles zu wissen, aber mit dem Zeug hier weiß man wirklich alles. Aber ganz so high bin ich danach leider nicht oft. Meist ist es schmerzhaft. Wie H. H. sagte: ›Genialität ist die unbegrenzte Fähigkeit, Schmerzen zu ertragen.‹«
    Ich lachte - teils, weil seine schnelle, sprunghafte Redeweise mich schwindlig machte, teils, weil ich das Bonmot komisch fand.
    »Aber ich habe trotzdem einen Fehler gemacht. Ich hätte dumm bleiben sollen.«
    »Dumm? Ich habe nicht den Eindruck, daß Sie das jemals gewesen sind.«
    »Mit einem I. Q. von 160 habe ich nie aufwarten können! Ich Waschlappen bestimmt nicht!«
    »Ach wissen Sie, diese Tests sind auf uns Waschlappen aus der Mittelklasse zugeschnitten. Die Intelligenz zu messen ist nicht so einfach wie eine Blutprobe zu entnehmen.«
    »Nett, daß Sie das sagen, aber ich war wirklich ein dummes Schwein. Vielleicht eher unwissend als dumm. Daß ich heute mehr weiß und mich mit Ihnen unterhalten kann, ist ausschließlich auf das Pa ..., auf das Zeug, das sie mir gegeben haben, zurückzuführen.«
    »Ausschließlich? Nein.«
    »Leck mich am Arsch, ja!« Er lachte, ein ausgeglicheneres Lachen als zuvor. »Es macht Spaß, sich mit Ihnen zu unterhalten, Sacchetti. Sie zucken bei jedem ordinären Wort zusammen.«
    »Wirklich? Das kommt sicher von meiner bürgerlichen Erziehung. Ich habe mich daran gewöhnt, solche Ausdrücke zu lesen, aber wenn sie jemand in den Mund nimmt ... Es ist ein Reflex.«
    »Der Bildband, den Sie sich da anschauen - haben Sie den Text dazu gelesen?«
    Ich hatte im zweiten Band von Wilenskis Flämische Maler geblättert, der die Abbildungen enthält. Der erste Band besteht nur aus Text.
    »Ich habe versucht, ihn zu lesen, aber ich bin nicht weit gekommen. Ich habe mich noch nicht genug eingewöhnt, um mich auf etwas zu konzentrieren.«
    Mordecai nahm diese Bemerkung mit ungewöhnlichem Ernst auf. Er ging allerdings nicht darauf ein, sondern kam nach einer Pause auf sein Thema zurück: »Eine Stelle darin ist großartig. Darf ich sie Ihnen vorlesen?« Er hatte den ersten Band schon aus dem Regal genommen. »Über Hugo van der Goes. Kennen Sie ihn?«
    »Ich weiß nur, daß er zu den frühen flämischen Malern gehört. Ich glaube nicht, daß ich schon etwas von ihm gesehen habe.«
    »Können Sie auch gar nicht. Es ist nichts erhalten. Jedenfalls nichts mit seiner Signatur. Er soll um 1470 wahnsinnig geworden sein und sich eingebildet haben, er sei verdammt und der Teufel würde ihn holen und lauter solch schreckliches Zeug. Damals lebte er bereits in einem Kloster bei Brüssel, und die Mönche versuchten, ihn zu beruhigen, indem sie für ihn musizierten wie David für Saul. Einer von ihnen schrieb etwas über seinen Wahnsinn - alles sehr lesenswert, aber ein Abschnitt gefällt mir besonders ... Hier ist er:
    ›Bruder Hugo, dessen
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