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Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators

Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators

Titel: Calhoun Chronicles 03 - Die Schoene Tochter Des Senators
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Sternenbogen.
    Abigail lief, so schnell sie es wagen konnte, aber mit ihrem schlurfenden Schritt war sie wie immer viel zu langsam. Aus Angst vor einer weiteren Blamage drängte sie sich dennoch zur Eile, obwohl sie sich inzwischen an die Erniedrigung gewöhnt haben sollte. Seit frühester Kindheit wusste sie, dass sie anders war als andere. Sie konnte nicht rennen, nicht hopsen und nicht spielen wie andere Kinder. Doch nachts, wenn sie den Himmel nach Sternen absuchte, dann vermochte sie hoch hinaufzufliegen.
    Die leere Ostveranda schien sie zu sich zu winken. Abigail hatte es fast geschafft. Sie war beinahe frei.
    Sie huschte durch die Glastüren hinaus in den wohltuend leeren Innenhof. Schwarze Schatten lagen auf Gehwegplatten und Pfaden. Die Luft dieses späten Herbstabends war empfindlich kühl. Abigail drückte die Hände an die verzierte Betonbrüstung. Wahrscheinlich beschmutze ich mir daran die Handschuhe, dachte sie. Doch das war ihr jetzt gleichgültig; sie würde ohnehin heute Abend keinen Tanzpartner oder sonst jemanden finden, der ihre Hand halten wollte.
    Behutsam zog sie den lockeren Kamm aus dem Haar und steckte damit den aufgerollten Zopf wieder fest. Als sie danach an dem Geländer entlangging, hörte sie, wie ihr der Rock um die Beine rauschte. Der Windhauch kühlte ihren Hals, und der Nachthimmel übte seinen beruhigenden Zauber auf sie aus. Meistens behinderten Seenebel und Stadtbeleuchtung den Ausblick, aber heute war der Himmel ungewöhnlich klar. Dort erkannte sie Andromeda, die in alle Ewigkeit angekettete Prinzessin. Da, hoch im Süden, galoppierte der große, geflügelte Pegasus. Saturn befand sich im Aufstieg; einen Monat später würde Jupiter an der Reihe sein. Der immer währende Sternenhimmel, der sich langsam zu drehen schien, ließ Abigail für einen Augenblick ihre Schmach vergessen. Der glorreiche Himmel blickte niemals richtend auf bedeutungslose Erdenbewohner herab, die es sich zur Gewohnheit machten, sich ständig zu blamieren.
    Doch unausweichlich kamen die Bedenken einer Erdgebundenen dazwischen: Sie vernachlässigte ihre Pflichten und versteckte sich hier draußen wie ein Feigling. Dies hier war schließlich keine beliebige Hochzeitsfeier, sondern eine, bei der der Präsident und die First Lady als Gastgeber fungierten. Die Präsidentengattin hatte zusammen mit der Braut, Nancy Kerry Wilkes, das Lyzeum von Miss Blanding besucht.
    Abigail hatte so sehr gehofft, ihrem Vater zu gefallen, doch bis jetzt war es ihr nur gelungen, von dem Brautstrauß getroffen zu werden und davon einen Niesanfall in aller Öffentlichkeit zu erleiden. Doch die Nacht ist ja noch jung, sagte sie sich, richtete sich auf und straffte die Schultern. Wie ein Soldat, der einem Erschießungskommando gegenübertritt, drehte sie sich um und näherte sich wieder den Glastüren.
    Samtvorhänge mit goldenen Kordeln und Quasten umrahmten den glitzernden Empfang. Während seiner Amtszeit hatte Präsident Grant den Saal wie einen Gespensterdampfer dekorieren lassen. Um sich davon nicht ausstechen zu lassen, hatte Präsident Arthur Louis Comfort Tiffany beauftragt, die Decke in Silber zu täfeln und in jedem Kreissegment einen Palmendschungel zu erschaffen. Was nun die gegenwärtige Administration hier vorhatte, vermochte sich Abigail nicht auszudenken.
    Im sanften Licht der Bakkaratlüster wirkte die Szene wie ein schönes lebendiges Gemälde. Die Damen, deren pastellfarbene Gewänder sich von den schwarzen Smokings der Herren abhoben, drehten sich wie Ballerinen. Die Militärangehörigen sahen noch beeindruckender aus in ihren Galauniformen - Marineblau für die Männer aus Annapolis, frisches Hellgrau für die Leute von Westpoint, Militärblau für das Gardekorps. Jeder einzelne wirkte ungemein elegant in dem bunten Reigen der Tänzer, in dem sie die glitzernden Teile eines großartigen Musters bildeten, und alle drehten sich um die strahlenden Brautleute, die mit erfreulicher Präzision einen lebhaften Walzer vollführten. Alle bewegten sich wie gut geölte Zahnräder in einem riesigen Uhrwerk. Gottlob - die Welt hatte Abigail vergessen.
    Wie eine Prinzessin im Märchen hatte Nancy Kerry einen gut aussehenden Westpointabsolventen mit makellosem Stammbaum und ebensolchem militärischen Verhalten geehelicht. Das strahlende Paar vermittelte den Eindruck, als wäre es ganz einfach, perfekt zu sein. Für die beiden sah es tatsächlich ganz einfach aus, glücklich zu wirken.
    Abigails Vater stand beim Punschbüfett
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