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Café der Nacht (German Edition)

Café der Nacht (German Edition)

Titel: Café der Nacht (German Edition)
Autoren: Susann Julieva
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zu.“
    „Hör auf damit. Dela vertraut ihr, und das reicht für mich völlig.“
    „Pfft“, machte das Kätzchen bloß und schob, mit dem dicken Hinterteil wackelnd, ab.
     Maxim sah zu, wie Merlyn seinen dicken Umschlag öffnete und hocherfreut den Inhalt in Augenschein nahm. Es waren Notenblätter. „Bist du Musiker?“
    Merlyn wackelte mit den langen, feingliedrigen Fingern. „Pianist.“
    „Oh, wie schön.“
    Merlyn nippte am heißen Tee, während sein Blick genussvoll über die Noten huschte. „Also, was ist dein Ding?“, fragte er Maxim, als er wieder aufsah.
    „Was meinst du?“
    „Malst du? Schreibst du?“
    „Äh. Eigentlich mache ich gar nichts Derartiges.“
    „Das ist ja merkwürdig“, wunderte sich Merlyn, als hätte er noch nie etwas so Abwegiges gehört.

    * * *
     
    Rufus nahm sich in den folgenden Tagen viel Zeit, um Maxim geduldig in seine Aufgaben und den Rhythmus des Cafés der Nacht einzuweihen. Die ansässigen Künstler waren trotz ihrer kuriosen Macken und Eigenheiten ein lustiges, einladendes Völkchen. Sie waren neugierig auf ihn. Niemand interessierte sich für seinen verkrüppelten Fuß, oder zog ihn wegen seiner schmächtigen Körpergröße auf. Er wurde fraglos akzeptiert, genauso wie er war. Es war ein wunderbares Gefühl, dem Maxim noch nicht so recht zu trauen wagte. Er blieb erst einmal auf Distanz, noch immer nicht sicher, was er von all dem halten sollte.
    Zu seiner eigenen Überraschung stellte er sich gut dabei an, Drinks zu mixen, und Rufus’ Lektionen zeigten bald schon Früchte. Wichtig, sehr wichtig war es, zu lernen, bei welchen Gästen kassiert wurde, und wer Stammgast war und anschreiben lassen durfte. Überhaupt schien Dela die Sache mit der Zeche äußerst großherzig zu sehen. Wann und wie die teils horrenden Schulden beglichen wurden, blieb Maxim auch später noch ein Rätsel, doch ab und an waren die mehrstelligen Beträge hinter den Namen auf der Anschreibetafel weggewischt.
    In seiner ersten Nacht als zweiter Mann hinter der Bar wäre Maxim ohne Rufus’ unaufdringliche, selbstverständliche Hilfe heillos verloren gewesen. Die Arbeit dort konnte ein Knochenjob sein, für den man gute Nerven brauchte. So verflogen die ersten Tage wie im Fluge. Rufus, sein wortkarger Vorgesetzter, der so gelassen für Dela den Laden schmiss, war nicht ungesellig, aber er hielt sich gerne diplomatisch aus allem raus. Vielleicht war es das, was Maxim und ihn von Anfang an verband. Sie saßen gerne alleine nach dem Zapfenstreich beisammen, zu aufgeputscht von dem Gewirr und der überschäumenden Energie im Gewölbe, um sofort zu Bett zu gehen. Dann tranken sie ein Glas Wein, genossen die Stille und redeten leise, oder schwiegen gemeinsam.
     
    * * *
     
    Neben Dela war noch eine weitere außergewöhnliche Persönlichkeit besonders in die Geschicke der Künstlerkolonie der Gegend involviert. Gustav Egon Hummelig war fast so breit, wie er hoch war und auf diese mathematische Tatsache war er ausnehmend stolz. Wenn sein tiefes, brummendes Lachen aus seinen dramatischen Leibestiefen hervorbrach, zitterten die Wände. Er hatte kleine, verschmitzte Augen und einen fantabulösen Schnurrbart, der wie der Schwanz einer Nixe auf den Wogen seiner Lippen tanzte, wenn er sprach. Er war der Besitzer des Varietés Die Hummel gleich um die Ecke, das sich bei den Münchnern großer Beliebtheit erfreute. Außerdem besaß Hummelig zwei Straßen weiter einen Kabarettkeller, das Kaleidoskop . Die Hummel war glamourös, eine richtige, traditionelle Kleinkunstbühne, die mit Artisten, Shownummern und Bauchrednern ein bunt gemischtes Publikum erheiterte. Ein paar von den Schauspielern verdienten sich hier als Pantomimen oder Jongleure ein kleines Zubrot.
    Das Kaleidoskop dagegen war einer dieser Orte, bei denen man nicht beschreiben kann, warum genau man sie so innig liebt. Vom ästhetischen Standpunkt aus betrachtet war es ausnehmend scheußlich. Ein stickiges Kellerloch mit engen Fluren, deren Wände ganz in schlichtem Rattengrau gehalten waren. Das Publikum war schwierig, kritisch, schwer zu beeindrucken. Wer im Kaleidoskop bestand, der hatte keine schlechten Chancen, anderswo groß herauszukommen. Aktuell waren die Revoschizionäre der Geheimtipp. Es war Monroes Kabaretttruppe, ein Haufen exzentrischer Galgenvögel. Die „Schizis“, wie die Fans sie liebevoll nannten, spielten stets vor ausverkauftem Haus. Das Besondere an den Revoschizionären war, dass sie ihr Programm fast gänzlich aus
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