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Cafe con Leche

Cafe con Leche

Titel: Cafe con Leche
Autoren: Agathe Hanses
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eher ein Stoppen und
geht mir ganz schön in die Knie. Meine Zehen wollen aus meinen Schuhen heraus
und stoßen vorne gegen die Kappe. Ich versuche mit eingezogenen Zehen zu
laufen, was mir aber das Gefühl gibt, auf Eier zu laufen. Diesmal klage ich
nicht lautstark über meine Schmerzen, sondern gehe still weiter.
    Oh
Gott bitte, lass uns Roncesvalles schnell erreichen! Aber, so schnell schießen
die Preußen wohl selbst in Spanien nicht!
    Anhand
der Bergkuppen, die uns umgeben, ist die Tiefe, in der Roncesvalles liegt, nur
zu erahnen. Eine Stille umgibt uns, die ich so von zuhause gar nicht kenne.
Kein menschliches Geräusch ist zu vernehmen. Nur manchmal ist ein Vogel zu
hören. Das ist das Einzige. Wir laufen alleine durch den Wald. Fast unheimlich!
Dann, ein Klack-Klack-Klack! Ich drehe mich um und sehe in der Entfernung einen
Pilger auf uns zukommen. Seine Füße laufen nicht über den steilen Abhang, nein!
Sie schweben behände daher. Kein Atmen und Keuchen ist zu hören. Im
Sauseschritt ist er an uns vorbei. Tänzelnd, fast lautlos mit seinen Stöcken.
Er wünscht uns noch ein schnelles Buen camino. Sprachlos über so viel
Leichtigkeit, schaue ich ihm hinterher. Dann ist er
hinter der nächsten Biegung verschwunden.
    „Hast
du das gesehen, Chris? Ich bin sprachlos! Wie machen die Leute das nur? Die
eine ist Marathonläuferin, der hier geht fast schwebend an uns vorbei... Das
verstehe ich nicht! Die Leute, die hier pilgern, sind wohl alle gut
durchtrainiert. Ich racker’ mich ab und die keuchen noch nicht einmal!”
    Chris
bleibt abrupt stehen. Sie dreht sich zu mir um. Langsam, aber betont, sagt sie
zu mir: „Mama! Jetzt halt aber mal die Luft an! Jeder geht so, wie er kann und
wir gehen halt bedächtiger.”
    „Trotzdem
verstehe ich das nicht!”
    „Mama!”
Christines Worte werden eindringlicher. „Ich habe das gerade schon mal gesagt!
Jeder geht so, wie er kann! Musst du eigentlich immer nörgeln?”
    Nun
bin ich es, die ihre Worte gut abwägt.
    „Du
hast ja recht! Jeder so, wie er kann. Wir gehen halt bedächtiger!” Schon geht
es mir besser! Fühle ich mich doch von meiner Tochter, was die Langsamkeit
meiner Schritte betrifft, verstanden!
    Und
dann, in der Ferne, Motorengeräusch! Ich kann mich nicht daran entsinnen, mich
jemals über ein Motorengeräusch gefreut zu haben. In diesem Moment könnte ich
die ganze Welt umarmen, denn wir nähern uns der Zivilisation. Ein älteres
Ehepaar kommt uns entgegen. Sie nicken uns freundlich zu und wir grüßen. Und
dann tut sich der Wald plötzlich vor uns auf. Wie hingezaubert liegt das große
Kloster von Roncesvalles vor uns. Ich bin sprachlos über das gigantische
Gebäude.
    „Was
hat die Leute wohl früher dazu bewogen, inmitten dieser Wildnis solch ein
überdimensionales Kloster zu errichten?”, frage ich Chris. „Das kann ich dir
leider nicht sagen, Mama. Ich bin froh, dass wir angekommen sind.”
     
     

    Das Kloster von Roncesvalles
     
     
    Ich
bin auch froh! Die erste Etappe war doch sehr anstrengend und Chris hat nach
dieser schlechten Nacht gut durchgehalten. Mir fällt jetzt erst auf, dass sie
den Weg über nicht gejammert hat, so wie ich. Hut ab! Mein großes Kind ist
tapfer! Ich bin stolz auf sie! Nur noch die Treppe hinauf zur Herberge, dann
sind wir angekommen. Die erste Etappe von 27 Kilometer ist geschafft! Wir gehen
zur Anmeldung, bezahlen zusammen zehn Euro und erhalten unseren zweiten Stempel
im Pilgerausweis. Dann suchen wir unser Schlafquartier auf.
    Ungefähr
achtzig Hochbetten stehen in einem Gebäude, das an ein altes Kirchenschiff
erinnert. Nachdem wir unsere Betten, die uns zugeteilt wurden, gefunden haben,
lasse ich mich auf mein Bett fallen. Christine geht duschen. Da bin ich auch
schon eingeschlafen. Ich höre sie nicht mehr zurückkommen. Gegen zwanzig Uhr
weckt sie mich. Ihr ist wieder so schlecht und sie hat einen heißen Kopf.
    „Wenn
es dir morgen nicht besser geht, fahren wir mit dem Bus nach Pamplona. Da gibt
es wenigstens einen Arzt und notfalls noch ein Krankenhaus”, sage ich und fühle
mich wieder so hilflos.
    Sie
nickt und ich hole ihr einen Kamillentee aus dem Restaurant, das gegenüber
liegt. Als ich mit der Tasse Tee zurückkomme, schläft sie schon.
    Schlafen
macht gesund, denke ich. Hoffentlich schläft sie die Nacht durch!
    Es
tut mir für sie leid, dass sie so krank da liegt. Sie hatte sich so auf das
Pilgern gefreut und jetzt das! Wir haben Glück, dass unsere Betten
nebeneinander stehen. So kann ich
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