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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Konstanze gehört hatte, wie ein Heiligtum aufbewahrte, hatte er immer davon geträumt, auch seinen Ball zu geben, ein Hochzeitsballfest. Er hatte dieses Fest mit Liebe vorbereitet, aber dabei seinen Prinzipal nur in den notwendigen, nicht in seinen unsinnigen Ausgaben nachgeahmt; die unsinnigen waren ja bereits gemacht worden. So sollte das Diner von Chevet geliefert werden und die Gäste ungefähr dieselben sein. Der Abbé Loraux trat an die Stelle des Großkanzlers der Ehrenlegion, auch der Präsident des Handelsgerichts, Lebas, fehlte nicht. Popinot hatte auch Herrn Camusot eingeladen, um sich für die Rücksicht, die er Birotteau erwiesen hatte, erkenntlich zu zeigen. Die Herren von Vandenesse und von Fontaine kamen an Stelle Roguins und seiner Frau. Cäsarine und Popinot hatten in bezug auf die Balleinladungen eine sorgfältige Auswahl getroffen. Beide scheuten sich in gleicher Weise vor der Öffentlichkeit bei der Hochzeitsfeier selbst; sie hatten sich deshalb dieses für zartfühlende, reine Herzen peinliche Gefühl erspart und den Ball für den Tag der Unterzeichnung des Ehevertrages angesetzt. Konstanze hatte ihr kirschrotes Kleid vorgefunden, in dem sie ein einziges Mal in, ach so flüchtigem Glänze erschienen war! Cäsarine hatte Popinot die Überraschung bereitet, sich wieder in der Balltoilette zu zeigen, von der er immer und immer wieder mit ihr gesprochen hatte. So sollte Birotteau in seiner Wohnung das bezaubernde Schauspiel wieder vor sich sehen, das er nur an einem einzigen Abend genossen hatte. Weder Konstanze, noch Cäsarine, noch Anselm hatten eine Ahnung davon, daß diese Riesenüberraschung Cäsar gefährlich werden könnte, und sie erwarteten ihn um vier Uhr mit einer Freude, die sie Kindereien treiben ließ.
    Nach der unaussprechlichen Erregung, die ihm die Rückkehr zur Börse verursacht hatte, sollte dieser Held der kaufmännischen Redlichkeit noch die Überraschung ertragen, die ihn in der Rue Saint-Honoré erwartete. Als er sein altes Haus betrat und am Fuße der Treppe, die unberührt geblieben war, seine Frau in ihrem kirschroten Sammetkleide, Cäsarine, den Grafen von Fontaine, den Vicomte von Vandenesse, den Baron von La Billardière, den berühmten Vauquelin erblickte, da breitete sich ein leichter Schleier über seine Augen, und der Onkel Pillerault, der ihm den Arm reichte, fühlte, wie er erzitterte.
    »Das ist zu viel,« sagte der Philosoph zu dem verliebten Anselm, »er wird soviel Wein, wie du ihm einschenkst, nicht vertragen können.«
    Die Freude war eine so allgemeine, daß alle die Erregung Cäsars und sein Schweigen der natürlichen Freudetrunkenheit zuschrieben, die aber nicht selten tödlich werden kann. Als er sich in seinem alten Heim wiederfand, als er den Salon, die Gäste, die festlich in Balltoilette erschienenen Damen wiedersah, da rauschte plötzlich das heroische Schlußmotiv der großen Beethovenschen Symphonie ihm durch Kopf und Herz. Die himmlische Musik ertönte mit ihrem strahlenden Glänze, jubelte in allen Übergängen und ließ ihre Trompetenklänge in allen Windungen dieses übermüdeten Gehirns widerhallen, für das sie das große Finale bedeuten sollte.
    Überwältigt von diesem inneren Musikrauschen, faßte er den Arm seiner Frau und sagte leise mit von einem zurückgehaltenen Blutstrom erstickter Stimme: »Mir ist nicht wohl!«
    Die erschreckte Konstanze führte ihren Mann in ihr Zimmer, bis zu dem er mühsam gelangte; hier sank er in einen Sessel und sagte:
    »Herrn Haudry, Herrn Loraux!«
    Der Abbé Loraux erschien, gefolgt von den Gästen und den Damen in Balltoilette, die alle stehen blieben und eine entsetzte Gruppe bildeten. Angesichts dieser Festgesellschaft drückte Cäsar seinem Beichtvater die Hand und neigte das Haupt auf die Brust seiner vor ihm knienden Frau. Ein Gefäß war ihm in der Brust gesprungen und eine Aortageschwulst erstickte sein letztes Atmen.
    »Hier stirbt ein Gerechter«, sagte der Abbé Loraux in ernstem Tone und wies auf Cäsar mit jener göttlichen Gebärde hin, wie sie Rembrandt auf seinem Gemälde »Die Auferweckung des Lazarus durch Christus« wiederzugeben vermocht hat. Jesus heißt hier die Erde, ihre Beute zurückgeben, der fromme Priester zeigte dem Himmel einen Märtyrer der kaufmännischen Redlichkeit, damit er ihn mit der ewigen Palme kröne.

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