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Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)

Titel: Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang (German Edition)
Autoren: Honoré de Balzac
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Gerichtshofes vernahm, der zeigte, daß auch die unerschütterliche Rechtsprechung ein menschliches Empfinden kannte. Er vermochte seinen Platz an den Schranken nicht zu verlassen, er stand wie angenagelt da und starrte bewegungslos die Richter an, als seien es Engel, die ihm die Tore zu der menschlichen Gesellschaft wieder geöffnet hatten; der Onkel nahm ihn beim Arm und zog ihn mit sich fort in die Vorhalle. Jetzt steckte sich Cäsar, der der Weisung Ludwigs XVIII. nicht Folge geleistet hatte, mechanisch das Band der Ehrenlegion ins Knopfloch und wurde sogleich von seinen Freunden umringt und im Triumph in den Wagen getragen.
    »Wohin wollt ihr mich denn bringen, liebe Freunde?« sagte er zu Joseph Lebas, Pillerault und Ragon.
    »Nach Hause.«
    »Nein, es ist drei Uhr, ich will von meinen Rechten wieder Gebrauch machen und zur Börse gehen.«
    »Zur Börse«, rief Pillerault dem Kutscher zu und gab Lebas einen deutlichen Wink, denn er hatte bei dem Rehabilitierten beunruhigende Symptome wahrgenommen und fürchtete, daß er von Sinnen kommen könnte.
    Der ehemalige Parfümhändler betrat nun den Börsensaal am Arme seines Onkels und Lebas', der beiden angesehenen Kaufleute. Seine Rehabilitierung war schon bekannt geworden. Die erste Person, die die drei Kaufleute, denen Ragon folgte, bemerkte, war du Tillet.
    »Ah, mein verehrter Prinzipal, ich bin entzückt, zu sehen, daß Sie sich herausgezogen haben. Und ich habe wohl durch die Bereitwilligkeit, mit der ich mich von dem kleinen Popinot habe rupfen lassen, zu diesem erfreulichen Ende Ihrer Sorgen beigetragen. Ich freue mich über diese glückliche Lösung ebenso, als ob sie mich selbst beträfe.«
    »Das kann auch nicht gut anders sein,« sagte Pillerault, »Ihnen wäre so etwas nie passiert.«
    »Wie soll ich das verstehen, Herr Pillerault?« fragte du Tillet.
    »Im guten Sinne«, sagte Lebas und lächelte über die vergeltende Bosheit Pilleraults, der, ohne etwas Näheres zu wissen, diesen Menschen für einen Bösewicht hielt.
    Jetzt bemerkte Matifat Cäsar. Sogleich umringten die namhaftesten Kaufleute den früheren Parfümhändler und die Börse brachte ihm eine Ovation dar; er empfing die schmeichelhaftesten Glückwünsche und Händedrücke, die viel Neid erregten und auch bei manchem Gewissensbisse erweckten, denn von hundert Anwesenden hatten mehr als fünfzig schon einmal liquidiert. Gigonnet und Gobseck, die sich in einer Ecke unterhielten, betrachteten den tugendhaften Parfümhändler mit Augen, wie Physiker den ersten elektrischen Zitteraal, der ihnen gebracht wurde, betrachtet haben müssen. Dieser Fisch, der mit Elektrizität wie eine Leydener Flasche geladen ist, wird als die merkwürdigste Erscheinung des Tierreichs angesehen. Nachdem er den Weihrauch seines Triumphes genügend ausgekostet hatte, stieg Cäsar wieder in den Wagen, um in sein Haus zurückzukehren, wo der Ehevertrag seiner geliebten Cäsarine und des getreuen Popinot unterzeichnet werden sollte. Ein nervöses Lachen, das ihn befallen hatte, beunruhigte seine drei alten Freunde. Es ist ein Fehler der Jugend, zu glauben, jedermann erfreue sich derselben Kraft wie sie, ein Fehler, der aber aus ihren Vorzügen entspringt; statt Menschen und Dinge durch eine scharfe Brille zu sehen, sieht sie sie, unter dem Reflex ihrer eigenen Glut, rosig gefärbt, und möchte ihre überschäumende Lebenslust auch den alten Leuten mitteilen. Wie Cäsar und Konstanze, so hatte auch Popinot das prächtige Bild des von Birotteau gegebenen Balles in seinem Gedächtnis bewahrt. Während ihrer drei Prüfungsjahre hatten Konstanze und Cäsar, ohne es sich zu gestehen, Collinets Orchestermusik oft in den Ohren gehabt, sie hatten die glänzende Gesellschaft wieder vor sich gesehen und das so grausam bestrafte freudige Gefühl empfunden, ebenso wie Adam und Eva zuweilen an die verbotene Frucht zurückdenken mußten, die ihrer ganzen Nachkommenschaft den Tod und das Leben gebracht hat, denn die Neuerschaffung von Engeln scheint ein göttliches Geheimnis zu sein. Aber Popinot konnte an dieses Fest ohne Gewissensbisse und mit Entzücken zurückdenken; Cäsarine hatte sich damals in all ihrem Glänze ihm, dem armen Jungen, zugesagt. An diesem Abend hatte er die Gewißheit erlangt, um seiner selbst willen geliebt zu werden! Als er daher die von Grindot eingerichtete Wohnung für Cölestin erworben hatte mit der Bedingung, daß alles darin unberührt bleiben müsse, als er auch die geringste Kleinigkeit, die Cäsar und
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