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Cabo De Gata

Cabo De Gata

Titel: Cabo De Gata
Autoren: Eugen Ruge
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Atem verschlug und ich, besonders in Innenräumen, eine weibliche Aura auf Armeslänge zu spüren glaubte, empfand ich erstaunlicherweise nichts, wenn ich der Zierlichen gelegentlich auf der Treppe begegnete.
    Neben der Zierlichen stand eine Stämmige mit Nasenring und Vollglatze, die ich schon seit Monaten den stets menschenleeren Friseursalon an der Ecke hüten sah, wobei ich schon oft im Vorbeigehen darüber nachgedacht hatte, ob eine Friseuse mit Vollglatze die geeignete Werbung für einen Friseursalon sei.
    Die beiden entschieden sich gegen mein schon etwas fleckiges Schlafsofa, boten mir aber zwanzig Mark für den schweren, schwarzen Lesersessel, den ich irgendwann, noch vor Karolins Zeit, zu einem unanständig hohen Preis bei einem Gebrauchtwarenhändler erworben hatte. Obwohl ich vorgehabt hatte, den Sessel für die Zeit meiner Abwesenheit im Keller meines Vaters unterzustellen, stimmte ich dem Kauf zu, vielleicht um einen Anfang zu machen, vielleicht auch, weil ich insgeheim froh war, das unhandliche Möbelstück nie wieder durch irgendwelche Treppenhäuser schleppen zu müssen. Als es aber an den Transport ging, fügte ich mich unwillkürlich in die traditionell männliche Rolle, nahm der Zierlichen, der die Glatzköpfige das untere Ende zumutete, den Sessel aus der Hand und schleppte ihn mit der Glatzköpfigen zusammen nach oben, und dort sah ich, wenn auch nur flüchtig, bevor die Zierliche, die sich mit Mühe an uns vorbeigequetscht hatte, eine Zimmertür schließen konnte, die Erklärung dafür, dass ich dem Hund , den ein imaginärer Besitzer irgendwo über mir regelmäßig anzuschnauzen pflegte, niemals im Hausflur begegnet war : einen Käfig nämlich, kubisch und nicht ganz manns- oder fraugroß und, so sagt jedenfalls meine Erinnerung, mit Ketten, Handschellen und fliegenklatschenähnlichen Peitschen an den Gitterstäben.
    Den Rest meiner Sachen (abgesehen von meinem Computer, der Wanduhr meiner Mutter, den Kisten mit Dokumenten und Büchern und dem arabischen Kaffeekochtopf) beschloss ich den Punks im Erdgeschoss zu überlassen – obwohl ich sie seit langem im Verdacht hatte, mein Fahrrad geklaut zu haben. Es war Nachmittag, als ich bei ihnen klingelte. Nach einer Ewigkeit öffnete ein verpennter Typ mit vollkommen zerknautschter Irokesenfrisur die Tür. Er begleitete mich gefährlich missgelaunt drei Treppen nach oben, begutachtete mein Schlafsofa, meine Ivar-Regale, meinen aus einem Leimholzbrett bestehenden Schreibtisch, meine zwei Stühle, meinen dreiflügeligen 50er-Jahre-Kleiderschrank und den im Trödelladen komplett befüllt gekauften Besteckkasten und entschied, dass die «Entrümpelung» etwas kosten würde. Ich versprach, es mir zu überlegen.
    Tatsächlich lieh ich mir jedoch das Auto meines Vaters, was, wie immer, problematisch war, weil mein Vater jener Generation von Männern angehörte, die der Auffassung zuneigte, dass man «Autos, Frauen und Rasierapparate» (Aufzählung in einem Atemzug) niemals verleihe. Ich zerlegte Regale und Kleiderschrank, schleppte alles die Treppe runter, brachte, was sperrig war, zur Berliner Stadtreinigung und warf den Rest in den häuslichen Müllcontainer. Ich weiß nicht mehr, warum ich niemanden um Hilfe gebeten habe, aber ich weiß, dass ich es nicht tat. Ich erinnere mich, wie ich schwitzend und fluchend das stählerne Gestell meines Schlafsofas um die Windungen des Treppenhauses manövrierte; und ich erinnere mich, wie ich auf dem Innenhof den Besteckkasten zerdrosch, damit nach meinem Auszug ja nichts den Punks in die Hände fiele.
    Mit den restlichen Sachen im Auto fuhr ich zu meinem Vater.

4
    Nach dem Tod meiner Mutter war mein Vater in eine kleinere Wohnung umgezogen, auch sein neuer Keller erwies sich als klein, im Grunde war es ein Verschlag, und ich erinnere mich, wie mein Vater, nachdem ich den Verschlag mit meinen Sachen gefüllt hatte, herunterkam und die Angelegenheit begutachtete. Wie lange das hier stehen bleiben solle, fragte er, während sein Blick über meine Kisten und Tüten glitt. Ich murmelte etwas von ein paar Monaten. Mein Vater schüttelte fast unmerklich den Kopf, und ich erinnere mich (oder bilde ich es mir ein, weil es für meinen Vater so typisch gewesen wäre?), wie seine Augenbraue – die rechte, also von mir aus linke – sich hob und oben blieb, während er sich wieder der Kellertreppe zuwandte.
    Später saßen wir in einem Zimmer, das er bis ins Detail so eingerichtet hatte wie sein altes. Mein Vater stellte die
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