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Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist

Titel: Brunetti 13 - Beweise, daß es böse ist
Autoren: Donna Leon
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auf einen der Stühle und sagte: »Bitte nehmen Sie Platz.«
    Ein Schritt brachte sie zu dem von ihm bezeichneten Stuhl, der, wie sie freilich erst im Sitzen bemerkte, so ausgerichtet war, daß die Sonne ihr voll ins Gesicht schien. Entschlossen stand sie auf, rückte den Stuhl von Schreibtisch und Fenster weg und setzte sich wieder hin.
    Signora Gismondi hatte keine unmittelbare Erfahrung im Umgang mit der Polizei, aber sie war sechs Jahre mit einem sehr faulen und ebenso gewalttätigen Mann verheiratet gewesen, und nun versetzte sie sich einfach in diese Zeit und Lage zurück und verhielt sich entsprechend. »Sie sagten, es war Ihr Fall, Tenente«, begann sie leise. »Heißt das, die Ermittlungen werden von jemand anderem weitergeführt?« Wenn das so war, warum hatte man sie dann überhaupt erst zu ihm geschickt?
    Er las angelegentlich seinen Text zu Ende und legte das Blatt beiseite, bevor er zu ihr aufsah. »Nein.«
    Sie wartete auf eine Erklärung. Als die ausblieb, hakte sie nach: »Heißt das, die Ermittlungen sind abgeschlossen?«
    Er ließ sich reichlich Zeit, bevor er abermals verneinte.
    »Darf ich fragen, was es dann zu bedeuten hat?« So, wie sie das sagte, klang es weder ungehalten noch frustriert.
    »Daß die Ermittlungen derzeit nicht aktiv betrieben werden.«
    Die malträtierten Vokale und der Akzent, der bei seiner ersten längeren Antwort hörbar wurde, verrieten Signora Gismondi, daß sie es mit einem Süditaliener, wohl einem Sizilianer zu tun hatte. Mit gespieltem Gleichmut fragte sie: »An wen könnte ich mich denn wenden, wenn ich eine Aussage machen möchte?«
    »Falls die Ermittlungen noch liefen, dann wäre ich zuständig.« Er überließ es ihr, die richtigen Schlüsse aus seiner Antwort zu ziehen, und wandte sich wieder seinen Akten zu. Auch wenn er sie nicht direkt aufforderte zu gehen, hätte er kaum deutlicher machen können, wie wenig ihn ihr Beitrag interessierte.
    Einen Moment lang schwankte sie. Mit ihrer Aussage würde sie sich nur Scherereien einhandeln, ja wenn man ihr nicht glaubte, womöglich noch Schlimmeres. Warum stand sie also nicht einfach auf und vergaß die ganze Angelegenheit samt diesem Mann mit den teilnahmslosen Augen?
    »Ich habe im Gazzettino gelesen, daß die Signora von der Rumänin ermordet wurde, die bei ihr gewohnt und für sie gearbeitet hat«, sagte sie.
    »Das ist richtig.« Er nickte. »Die war's.« Eine Feststellung, die keinen Widerspruch duldete.
    »Es mag wohl richtig sein, daß es im Gazzettino stand und ich es dort gelesen habe, trotzdem hat die Rumänin die alte Frau nicht ermordet.« Die Arroganz, mit der dieser Mann die Wahrheit für sich beanspruchte, reizte Signora Gismondi, ihm Paroli zu bieten.
    Doch gegen seine Gleichgültigkeit war sie machtlos. »Können Sie das beweisen, Signora?« fragte er so herablassend, daß von vornherein klar war, wie wenig er sich für Beweise von Zeugen interessierte.
    »Ich habe am Morgen des Mordtages mit der Rumänin gesprochen«, erklärte sie.
    »Ich fürchte, das trifft auch auf Signora Battestini zu«, sagte der Tenente und kam sich dabei gewiß sehr schlagfertig vor.
    »Ich habe sie außerdem zum Bahnhof gebracht.«
    Das weckte endlich doch sein Interesse. Er stützte sich mit beiden Händen auf der Schreibtischplatte ab und beugte sich so weit vor, als wolle er über den Tisch hechten und ihr auf der Stelle ein Geständnis abpressen. »Was?« rief er scharf.
    »Ich habe sie an den Zug nach Zagreb gebracht. Den, der über Villa Opicina geht. Sie hätte in Zagreb Richtung Bukarest umsteigen sollen.«
    »Wovon reden Sie? Wollen Sie damit sagen, daß Sie ihr zur Flucht verholfen haben?« Er war schon fast auf dem Sprung, ließ sich dann aber doch wieder in seinen Sessel zurückfallen.
    Assunta würdigte seine Frage keiner Antwort, sondern wiederholte statt dessen: »Ich will damit sagen, daß ich die Frau zum Bahnhof gebracht und ihr geholfen habe, eine Fahr- und eine Platzkarte für den Zug nach Zagreb zu kaufen.«
    Er blieb lange stumm und musterte ihr Gesicht. Vielleicht hatte er ihr endlich richtig zugehört. Aber dann überraschte er sie mit der Feststellung: »Sie sind Venezianerin.«
    Es klang, als hätte er soeben begonnen, Belastungsmaterial gegen sie zu sammeln. Bevor sie fragen konnte, was er damit meinte, fuhr er fort: »Demnach sind Sie also gerade aus einer Amnesie erwacht, oder warum sonst kommen Sie mit drei Wochen Verspätung daher, um uns diese Geschichte aufzutischen?«
    »Ich war im
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