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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege
Autoren: Michael Bishop
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High-School-Absolvent war
    ich noch kein Leckerbissen für die Army. Selbst mit achtzehn
    würden sie mich wahrscheinlich 4-F mustern: untauglich für
    den Wehrdienst.
    Ich hatte nämlich ein Sprachproblem. Manchmal tat ich
    einfach nicht den Mund auf. Und wenn ich d-d-doch redete,
    dann st-stotterte ich. Was dabei herauskam, waren Satzfetzen,
    wie bei einem Maschinengewehr mit Ladehemmung. Die
    Pausen waren manchmal endlos, selbst wenn Coach Brandon
    mich anbrüllte (oder gerade dann). So bahnte ich mir meinen
    Weg durch die Schule, Nackenhaare gesträubt und hellwach
    wie ein Schießhund. Ansonsten war ich körperlich ganz
    normal, nur mein Sprachproblem trieb die Leute zur
    Verzweiflung. Mama meinte, wenn die Army-Ärzte keine

    körperliche Ursache fänden – eine Gaumenspalte schied aus,
    und die gequetschten Stimmbänder hätten viel früher behandelt
    werden müssen – dann würden sie mich ausmustern: als
    Grenzfall sozusagen. Ein GI muß einfach eine Stimme haben,
    sonst kann er ja nicht mal »Aufpassen!« brüllen, wenn der
    Infiltrant die Granate in das Schützenloch eines Kameraden
    wirft.
    Und noch etwas verhalf mir nach Highbridge. Ein Gespann,
    das keines unserer Red-Stix-Heimspiele ausließ, bestand aus
    Colonel und Mrs. Clyde Elshtain. Der Colonel hatte sich als
    Versorgungsoffizier in den einstweiligen Ruhestand versetzen
    lassen, um bei Deck Glider, Inc. den großen Beschaffungsspezi
    zu machen. Mama meinte, der Colonel habe ein paar Fäden
    gezogen, um die Umstellung der Tenkiller-Fabrik zu besiegeln.
    Der eigentliche Baseballfan war aber die Lady. Mrs. Tulipa
    ∗
    Elshtain. Großes Ehrenwort, so hieß sie. Lady Tulipa war über fünfzig, sie spazierte und parlierte herum wie eine ›vom Winde verwehte‹ Schönheit. Selbst in Oklahoma blieb sie ein
    Mitglied des konföderierten* Magic-Club. Bei den Red-Stix-
    Spielen vergaß sie dann die Lady und johlte und buhte wie ein
    Seemann beim Preisboxen.
    »Los, Goochie, schlag ‘nen Vierer*! Schick ihn in den
    Mississippi!«
    Miss Tulipa und der Colonel pflegten ganz oben in der
    offenen Tribüne für Deck Glider zu sitzen, neben Mama. Bei
    den Spielen legten sie es darauf an, Mama – die arme,
    schuftende und im Stich gelassene Mrs. Boles – zu ihrem
    Komplicen und Mitstreiter zu machen.
    »Ich bin ihr gutes Gewissen«, sagte Ma, nachdem die
    Elshtains damit angefangen hatten. »Eine schicke
    Sportsfreundin, aber keine zum Einladen.«

    ∗ tulip (f tulipa) = Tulpe

    Colonel Elshtain gehörte zum Management, Ma zu den
    Arbeitern. Wenn Miss Tulipa in die Tribüne stieg, dann trug
    sie Spitzenbluse, Tulpenrock, und entweder ein Samtbarret
    oder einen extravagantem Strohhut mit Pfauenfedern. Mama
    trug Overall und Kopftuch.
    »Ja, richtig so, Scooter!« schrie dann Miss Tulipa. »So mußt du schlagen, Blödmann!«
    Schließlich luden uns die Elshtains doch noch ein. In dem
    zweigeschossigen Vorkriegshaus mit Säulen hatte früher ein
    Reicher gewohnt, ein entwurzelter Cherokee namens Trenton
    Cass. Die Cass-Villa, sagt noch jeder. Mama gab mit Absätzen
    an, mit halblangen Nylons, und ihrem hübschesten
    Tupfenkleid, das immerzu an ihr kleben blieb. Ich trug lange
    Khaki-Hosen, Hosenträger aus dem Laden und meine
    Sonntagskrawatte.
    Bei diesem besonderen Dinner nach dem Kirchgang – ich seh
    es noch vor mir –, da gab es eisgekühlte Shrimps als
    Vorspeise, weißen Spargel und ein Gericht aus Reis und
    Hühnchen, das Miss Tulipa Country Captain nannte, und zum Nachtisch Orangensorbet und Heidelbeeren. Ich weiß nicht,
    woher die Elshtains die ganzen Zutaten nahmen, oder um wie
    viele Rationen sie in Rückstand gerieten, aber ich hatte noch
    nie so erstklassig gespeist. Ich schlang alles hinunter, sogar den Spargel, ein etepetetes Gemüse, aus dem ich mir nie was
    gemacht hab, und das ich auch nie wieder gegessen hab. (Babe
    Ruth* behauptete, wenn er Spargel gegessen hatte, würde sein
    Urin so stinken.) Es gab auch Wein, aber nicht für mich.
    »Du spielst so selbstverständlich«, sagte Miss Tulipa beim
    Nachtisch. »Wie fändest du es, einem professionellen Team
    zur Meisterschaft zu verhelfen?« Ihre Stimme war wie Coca-
    Cola: süß und schaumig und prickelnd.
    Bis jetzt hatte hauptsächlich Mama die Unterhaltung
    bestritten. Ich sah sie an. Aus der Bibliothek nebenan drang die Kammermusik des Colonels, oder genauer das kratzige
    Gefiedel eines Grammophons. Wie Miles Standish* wollte ich
    für mich selbst sprechen.
    »Ich m… ich
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