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Brüchige Siege

Brüchige Siege

Titel: Brüchige Siege
Autoren: Michael Bishop
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Tulipa. »Welches Team? Die Phillies.
    Deine Möglichkeiten bei den Phils sind grenzenlos.«
    Bingo. Gabby Stewart war leichter vom Short zu verdrängen
    als Rizzuto bei den Yankees oder Pee Wee Reese in Brooklyn
    bei den Dodgers. Trotzdem, lieber hätt ich mich den Japsen
    ergeben als nach Philadelphia zu gehen, fast.

    Ma und ich verließen die Cass-Villa, und ich tröstete mich
    mit dem Gedanken, daß ich in Highbridge wenigstens nicht für
    die Phillies spielen würde, sondern für die Hellbenders, ein
    Team, das sich angeblich mit Klauen und Zähnen
    hochkämpfte.

    2

    IM APRIL ‘43, ZWEI WOCHEN, bevor die Hellbenders ihre
    reguläre Saison eröffneten, kam Jordan McKissic – für
    jedermann in Highbridge Mister JayMac, wie ich später erfuhr
    – in einem Pullmanwagen* nach Oklahoma gedampft. Er
    wollte sich zwei Spiele der Red Stix ansehen, eines an einem
    Samstag, eines am Dienstag darauf, um dann nach Georgia
    zurückzukehren. Mister JayMac kam mit dem Zug, weil das
    ODT* Vergnügungsfahrten untersagt hatte. Zwar hätte man die
    Fahrt ohne weiteres als Geschäftsreise eines Scouts deklarieren können, doch es gab patriotische Politiker – wie die Schurken, die LaGuardia aufs Korn genommen hatte – die dem Profi-Baseball dieses Recht absprachen.
    Dreiundvierzig war das Jahr, in dem das ODT den Major-
    Leagues verbot, zum Frühjahrstraining in den Süden zu fahren.
    Mit Ausnahme der Cardinals, die in St. Louis trainierten,
    durfte nur noch östlich vom Mississippi und nördlich von
    Potomac und Ohio trainiert werden. Schlauberger nannten das
    die Landis-Eastman-Linie*, nach dem ersten Baseball-
    Dezernenten und dem Burschen an der Spitze des ODT. Mister
    JayMac war ein Wichtigtuer in der Musterungskommission des
    Hothlepoya County unten in Highbridge. Er trug das Seine zur
    nationalen Verteidigung bei, indem er auf Cadillac und
    farbigen Chauffeur verzichtete und sich dem Dampf und
    Kohlenstaub einer Lok und dem Gedränge im Personenzug
    aussetzte.
    In Tenkiller wohnte er dann in der Cass-Villa. Zu Gesicht
    bekam ich ihn erst an diesem Samstag, als er mit Mama und
    seinen Gastgebern in die offene Tribüne für die Belegschaft

    von Deck Glider stieg. Er fiel auf unter diesem Publikum. Er
    war fast sechzig – also zwei Jahre jünger als ich jetzt bin –
    aber groß, fit und machte was daher. Weiß in Weiß gestreiftes
    Frackhemd, altmodische Leinenhosen mit Bügelfalte und
    purpurrote Hosenträger. Das Haar war eisengrau und an den
    Schläfen und im Nacken kurzgeschnitten. Die melierte Locke,
    die ihm in die Stirn fiel, erinnerte mich an den Flügel eines
    Steinkauzes. Noch vom Short aus konnte ich den schrecklichen
    blauen Schimmer in diesen Augen sehen; das Blau war
    schärfer als das in Miss Tulipas Augen, es war ein Blau wie
    von Saphirstaub, eingelagert in zwei verzinkte Kriegspfennige.
    Er beobachtete mich von der Tribüne aus, mich und Toby
    Watersong, Franklin Gooch und jeden anderen aus beiden
    Teams. Wann immer ich konnte, sah ich zu ihm hin. Mister
    JayMac war das ›Große Pokergesicht‹, das über dem
    Gewimmel hockte, wie ein Richter am Obersten
    Bundesgericht, geheimnisvoll und kalt. Forschend.
    Ich spielte gut an diesem Samstag, Gott sei Dank, ich hatte
    zwei Singles* und am Short gelang mir ein selbständiges
    Double Play. Irgendwie hatte ich erwartet, Mister JayMac
    würde nach dem Spiel herunterkommen und reden, mir
    womöglich ein Angebot machen, doch er und die Elshtains
    verschwanden. Kein Blick, kein Nicken. Vermutlich kehrten
    sie schnurstracks zur Cass-Villa zurück. Auf der Tribüne sagte Mama, Miss Tulipa und der Colonel hätten das Team so
    unterstützt und mir so viele Komplimente gemacht wie noch
    nie zuvor, doch Mister JayMac wären kaum zwei Worte über
    die Lippen gekommen.
    »Einen höflichen Gentleman aus dem Süden hab ich mir
    anders vorgestellt«, meinte Ma. »Der Mann hatte Augen wie
    ein hungriger Wolf.«
    Sonntags trainierten die Red Stix nie, und Mister JayMac
    ging nicht mit den Elshtains zur Kirche. Am Montag dann

    beobachtete er uns aus den Sitzreihen an der Third Base Line*, verfolgte jeden Wind Sprint*, jedes Pepper Game* und
    registrierte jeden ungenauen Abtropfer*. Ich spürte, wenn er
    mich aufs Korn nahm, ich spürte es ganz deutlich, es war wie
    ein Frösteln. So ähnlich mußte sich eine hoffnungsvolle
    Teilnehmerin an einem Schönheitswettbewerb fühlen.
    Bei diesem Training verpatzte ich einen gemütlichen
    Kullerball am Short, dann wollte ich den
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