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Brotherband - Die Bruderschaft von Skandia: Band 1 (German Edition)

Brotherband - Die Bruderschaft von Skandia: Band 1 (German Edition)

Titel: Brotherband - Die Bruderschaft von Skandia: Band 1 (German Edition)
Autoren: John Flanagan
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Willen musste Karina lächeln. Was Gerüche betraf, war Skarlsons alter Ziegenbock so ziemlich das Schlimmste. Sie machte Anstalten, den beiden zu helfen, überlegte sich es dann jedoch anders und hielt Abstand.
    »Fluche nicht«, sagte sie geistesabwesend. Gorlog war einer der niederen nordländischen Götter wie Ullr der Jäger oder Loki der Lügner. Ihn zu erwähnen zählte vielleicht nicht unbedingt als Fluch, aber es war dennoch ungebührlich für einen Zehnjährigen.
    »Bring ihn in die Küche.«
    Hal führte Thorn zur Hintertür des Gasthauses. Zusammen stolperten sie die drei Schritte zur Tür hoch und dann hinein. Thorn hob dankbar den Kopf, als die behagliche Wärme des Raums ihn umgab. Im Herd brannte ein Feuer. Hal führte ihn dorthin und ließ ihn unbeholfen auf einen großen Holzstuhl fallen, dann wich er hastig zurück.
    Die Wärme der Küche war eine Wohltat, nass und unterkühlt wie Thorn war. Sie verstärkte allerdings auch seinen Gestank.
    Karina, die hinter ihnen eintrat, wurde ganz blass und drehte ihr Gesicht einen Moment lang weg. Dann fasste sie einen Entschluss und ging zu der jämmerlichen Gestalt, die auf ihrem Lieblingsstuhl saß.
    »Du kannst gehen, Hal«, sagte sie zu ihrem Sohn. Erleichtert zog der Junge sich in die Wohnräume hinter dem Gastraum zurück. Sie hörte Wasser in eine Schüssel plätschern und nahm an, dass er versuchte, den Gestank wegzuwaschen.
    Karina baute sich vor Thorn auf. »Thorn, du widerst mich an«, sagte sie. Ihre Stimme war nicht laut, aber schneidend wie ein Peitschenschlag, und der alte Seewolf zuckte tatsächlich zusammen. Kurz zeigte sich ein Funken Wut in seinen Augen, der sofort erlosch, als Thorn wieder seinen schützenden Mantel des Selbstmitleids umlegte.
    »Ich widere alle an«, sagte er. »Was ist so besonders an dir?«
    »Die anderen sind mir egal. Aber ich selbst bin mir nicht egal. Es gab eine Zeit, da haben die Leute zu dir aufgesehen. Jetzt lachen sie über dich. Die Jungen nennen dich den verrückten alten Thorn. Es ist eine Schande, was du mit deinem Leben machst.«
    Thorn wurde ärgerlich. »Was ich mache? Was ich mache?« Er hielt den vernarbten Stumpf seines rechten Armes hoch und schob den zerlumpten Ärmel zurück, um ihn zu zeigen. »Glaubst du vielleicht, ich habe mir das selber angetan? Denkst du, ich habe es mir ausgesucht, ein Krüppel zu sein?«
    »Ich werde dir sagen, was ich denke. Du hast dir ausgesucht, deinen Verstand zu vernichten und auch deinen Selbstrespekt, zusammen mit deinem Arm«, erwiderte sie. »Du benutzt deinen Arm als Entschuldigung, auch noch dein Leben zu zerstören!«
    »Es ist mein Leben. Ich kann damit machen, was ich will«, gab er zurück. »Welches Recht hast du, mich zu kritisieren?«
    »Ich habe das Recht, weil du Mikkel versprochen hast, dass du für mich und Hal da sein wirst. Du hast ihm geschworen, dass du dich um uns kümmerst. Aber du hast uns im Stich gelassen. Und du lässt uns weiter im Stich mit jedem Tag, an dem du versuchst, dich zugrunde zu richten!«
    Thorn senkte den Blick.
    »Du kommst doch bestens zurecht«, murmelte er.
    Sie lachte bei seinen Worten harsch.
    »Was nicht dir zu verdanken ist und auch nicht deinem Versprechen. Ein Versprechen, das du gebrochen hast und jeden Tag erneut brichst.«
    »Nicht meine Schuld«, sagte er so leise, dass sie es kaum hören konnte. »Lass mich in Ruhe, Frau. Es gibt nichts, was ich für dich tun kann.«
    »Du hast es versprochen«, sagte sie.
    Wütend hob er den zottigen Kopf. »Ja, aber das war damals. Es ist nicht meine Schuld, dass ich meine Hand verloren habe!«
    »Vielleicht nicht. Aber es ist deine Schuld, dass du dich gehen lässt! Du bringst dich um, Thorn! Du zerstörst einen guten Mann, einen wertvollen Mann. Und das ist für mich eine Schande! Ich werde nicht länger dabeistehen und zusehen!«
    »Falls du es noch nicht bemerkt hast, ich bin kein Mann mehr, sondern ein Krüppel«, sagte er höhnisch. »Ein nutzloser Krüppel, der zu nichts mehr taugt!«
    »Ich kann mich nicht erinnern, irgendwo gehört zu haben, dass ein Mann daran gemessen wird, wie viele Hände und Beine er hat. Ein Mann wird an Geist und Seele gemessen und an seiner Willensstärke. Vor allem wird er aber auch an seiner Fähigkeit gemessen, Schicksalsschläge in seinem Leben überwinden zu können.«
    »Was weißt du schon von Schicksalsschlägen?«, fuhr er sie an. Sie hielt seinen Blick, bis er erneut wegsah.
    »Du hast eine Hand verloren«, sagte sie schließlich.
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