Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Brook, Meljean - Die Eiserne See

Brook, Meljean - Die Eiserne See

Titel: Brook, Meljean - Die Eiserne See
Autoren: Flammendes Herz
Vom Netzwerk:
würde, sobald er mit Hassan gesprochen hatte, und dann brachte sie ihn zu einer Audienz bei Temür. Yasmeen und Archimedes wurden durch den offenen, luftigen Palast zu einem Zimmer geleitet, das sehr an ihre Kajüte auf der Lady Corsair erinnerte – nur mit deutlich mehr Kissen, einer Brise, die die Seidenvorhänge über dem Bett bewegte, und lebenden Vögeln, die in einem kleinen Privatgarten sangen.
    »Ob sie uns wohl töten?«, fragte Archimedes.
    »Das weiß ich nicht«, sagte Yasmeen. »Es dürfte alles von Hassan abhängen, wie du dir sicher denken kannst.«
    »Ja.«
    »Meinst du, er war Temür ein wahrer Freund?«
    »Nach dem, wie ich sie zusammen erlebt habe, ja.«
    Yasmeen lächelte flüchtig. »Dann dürfte ihn das entweder milde stimmen, oder es lässt den Betrug umso schlimmer erscheinen. Man kann es unmöglich sagen.«
    Eine Dienstmagd trat ein und zog eifrig an einer Kette über einem großen Marmorbecken. Durch den Boden pflanzte sich ein Scheppern fort, und eine Fliese öffnete sich und verströmte dampfendes Wasser.
    Yasmeen begann, die Schließen an ihrer Jacke zu öffnen. »Und falls wir nachher zu unserer Hinrichtung gehen sollten, dann sieht es ganz danach aus, als ob wir dazu sauber sein sollen.«
    »Alles andere wäre unhöflich. Ich hoffe, wir bekommen auch etwas zu essen«, sagte er und tat es ihr gleich.
    Obwohl sie ihn in der Abgeschiedenheit ihres Bades küsste, wagte sie es nicht, sich vollständig gehen zu lassen und mit ihm zu schlafen. Ihnen wurden Blätterteigpasteten serviert, die mit Fleisch und Gewürzen gefüllt waren, ein gepfefferter Eintopf auf Couscous, Brote, die mit Honig und Mandeln gefüllt waren. Yasmeen kostete alles für den Fall, dass es vergiftet sein würde, dann, weil es schmeckte, und dann seinen Mund, nachdem sie den Minztee mit Rosenwasser getrunken hatten.
    Weiterzugehen wagte sie nicht, also kuschelte sie sich auf den Kissen an ihn und überlegte, wie sie Temür wohl töten konnte, falls er ernsthaft vorhatte, sie hinrichten zu lassen. Sie würde schneller als Nasrin sein müssen, um ihr zuvorzukommen. Sie vermochte nicht zu sagen, wie lange die Frau nach Temürs Tod noch leben würde. Hoffentlich ging es schnell. Und wenn der Frau noch die Zeit für einen Angriff blieb, dann konnte sie hoffentlich nur noch sie angreifen – und Archimedes würde leben.
    »Ich hätte mit dir nicht hierherkommen sollen«, erklärte sie.
    Er runzelte die Stirn. »Was?«
    Sie setzte sich auf. »Wir hätten Hassan irgendwo an einem sicheren Ort lassen können. Wir hätten ihn nicht zurück in die Stadt bringen müssen. Du weißt, warum wir das getan haben: Es kann sein, dass Kareem al-Amazigh hier ist, und ich muss ihn töten.«
    »Ich weiß«, sagte er, und ihr Herz krampfte sich zusammen.
    Natürlich verstand er. Wie sie lebte er nicht in der Zivilisation, nicht im eigentlichen Sinne. Er lebte nicht unter dem Schirm von Regeln und Gesetzen. Nein, die einzigen Regeln und Gesetze, nach denen sie lebten, waren ihre eigenen.
    Aber das bedeutete zugleich: Wenn die See jemanden holte, den sie liebte, ob es nun im gesetzlosen Port Fallow oder auf dem Elfenbeinmarkt war oder an Bord eines Schiffes auf dem Ozean, dann gab es niemanden, der Gerechtigkeit suchte. Mord war in einem gesetzlosen Land nicht verboten, und so war die einzige mögliche Zuflucht für Yasmeen, die einzige Treue, die sie ihrer Crew erweisen konnte, selbst ihre Gerechtigkeit zu suchen, ihre eigenen Gesetze anzuwenden.
    Das bedeutete nicht, dass es auch seine sein mussten.
    »Ich hätte später kommen können«, sagte sie. »Ich hätte dich nicht aufs Spiel setzen müssen. Ich hätte geduldig sein sollen. Ich verstehe die gan tsetseg jetzt, Archimedes. Wenn dem Mann, den ich brauche, etwas zustößt, dann wird ein Teil von mir ebenfalls sterben. Ich habe keine Ahnung, ob das schön ist oder barbarisch, aber ich weiß es jetzt.«
    »Yasmeen.« Er nahm ihre Hände und presste sie an sein Gesicht und küsste sie – und küsste sie noch einmal. »Ich werde hinter dir stehen. Ich werde immer hinter dir stehen.«
    Aber das würde er nicht, sie wusste es genau. Falls sie je bedroht sein würde, dann würde er vor sie springen und den ersten Schlag abfangen. Genau wie sie für ihn.
    Stunden verstrichen. Am Nachmittag hörten sie zunehmende Unruhe; viele Stimmen, die durcheinanderriefen. Von ihrem Zimmer aus war nichts zu sehen, darum kletterte Yasmeen verstohlen aufs Dach, um sich das anzusehen, und stellte fest, dass der
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher