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Brixton Hill: Roman (German Edition)

Brixton Hill: Roman (German Edition)

Titel: Brixton Hill: Roman (German Edition)
Autoren: Zoë Beck
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der Fachhochschule München studiert.
    Jay hatte sich mit der Hochschule in Verbindung gesetzt. Er wolle ein Portrait über einen ehemaligen Absolventen machen. Ob man ihm die genauen Einschreibedaten nennen könne? Ein Frank Binder hatte dort allerdings nie studiert und schon gar keinen Abschluss gemacht. Weder in Betriebswirtschaft noch in Gestaltung, wie Em gesagt hatte, noch in einem anderen Fach. Jay wusste, dass Menschen, die etwas zu verbergen hatten, immer einen Teil Wahrheit in ihre Lügen streuten. Also versuchte er es an den anderen Münchner Hochschulen. Auch da: kein Frank Binder, der passen könnte. Ein sinnvolles Anag ramm ließ sich aus dem Namen nicht bilden. Der nächste logische Schritt war die Suche über Franks Geburtsdatum. Mittlerweile hatte er sich übers Telefon fast schon mit der Frau im Sekretariat der Hochschule München angefreundet, und nachdem er sie mit einem Blumenstrauß als Dankeschön überrascht hatte – einem deutschen Online-Floristen sei Dank –, tat sie sowieso alles für ihn, das halbwegs legal war. Er vermutete, nicht ganz zu Unrecht, dass sie in ihrem Job unterfordert war und sich zu Tode langweilte. Als er sie in einem ihrer langen Telefonate, die sie nach ihrem Dienstschluss führten, darauf ansprach, lachte sie und gestand ihm, selbst Studentin gewesen zu sein, aufgrund einer Schwangerschaft abgebrochen und nun nach ein paar Jahren Babyzeit und ohne abgeschlossene Ausbildung nichts anderes gefunden zu haben. Die junge Frau, sie hieß Sabine, machte sich also auf die Suche nach Unterlagen von ehemaligen Studenten mit dem Geburtsdatum, das Jay ihr genannt hatte, und nach einem unkomplizierten Eliminierungsverfahren – sechs Treffer, darunter vier Frauen und ein US -Amerikaner – blieb ein Frank-Uwe Nesslinger. Aber noch war es eine Vermutung, noch war es kein echter Beweis. Die Gegenprobe stand noch aus, und dazu musste Jay ein Foto von diesem Frank-Uwe Nesslinger finden. War das gefunden, galt es nur noch herauszufinden, worin sein Geheimnis bestand. Das Spiel ging also weiter.
    Das Passfoto der Einschreibung, das ihm die nette Frau aus dem Sekretariat eingescannt zuschickte, ließ durchaus vermuten, dass Jay auf der richtigen Spur war. Er gab Nesslingers Namen bei Google ein und fand ihn in einer sozialwissenschaftlichen Magisterarbeit aufgeführt. Au ßerdem fand er ihn eher nebensächlich erwähnt bei Wikipedia: als Sohn eines Richters am Bundesfinanzhof. Über Kurt Nesslinger stand dort nicht viel: 1928 geboren in Königsberg, studierte in Tübingen und München, machte Referendariat in der Finanzverwaltung des Bundeslandes Bayern, wurde Richter am Finanzgericht in München, dann wissenschaftlicher Mitarbeiter am Bundesfinanzhof und schließlich zum Bundesrichter ernannt. Die Mitgliedschaft in einer katholischen Burschenschaft war erwähnt, über seinen Familienstand war nichts zu lesen. Lediglich ein Nebensatz: »Vater von Frank-Uwe Nesslinger«, Frank-Uwes Name in roten Buchstaben, wie es üblich war, wenn ein Eintrag geplant oder erwünscht, aber noch nicht erfolgt war. Jay sah sich die Bearbeitungshistorie des Wikipediaeintrags an. Der Zusatz mit dem Sohn war nachträglich von einem anderen Benutzer hinzugefügt worden. Dieser Benutzer hatte keinen registrierten Namen, nur eine IP -Adresse hinterlassen und anscheinend sonst nichts bearbeitet. Es gab eine kurze Diskussion darüber, welche Relevanz dieser Zusatz haben mochte, zumal es keine Belege gab, aber noch hatte ihn niemand gelöscht.
    Die Magisterarbeit, in der Frank-Uwe Nesslingers Name genannt wurde, lag als E-Book vor und war dank der Vorschaufunktion von Google Books auszugsweise einzusehen. Da der Zeitraum, der behandelt wurde, übereinstimmte mit Frank Everett/Binder/Nesslingers Lebensdaten, lud Jay das E-Book herunter, ließ ein Übersetzungsprogramm drüberlaufen und versuchte, sich einen Reim auf das zu machen, was ihm als englischer Text vorgeschlagen wurde. Nach zehn Minuten war ihm klar gewesen, dass er nach München musste. Die angegebenen Quellen könnte er auch in London in einer Bibliothek finden. Aber er musste an verschiedene alte Ausgaben von Tageszeitungen und Magazinen herankommen. Und die gab es nicht online, und auch nicht in London.
    Deshalb war er nun in München, ließ sich von einem übermüdeten Tobs durch die Staatsbibliothek leiten, Artikel übersetzen und die jüngere deutsche Geschichte erklären. Er suchte nach dem endgültigen Beweis dafür, dass Frank Everett allen Grund
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