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Brixton Hill: Roman (German Edition)

Brixton Hill: Roman (German Edition)

Titel: Brixton Hill: Roman (German Edition)
Autoren: Zoë Beck
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Emma?«
    »Natürlich Emma. Was dachtest du?«
    Wie immer: gnadenlos direkt, ehrlich und verletzend. Katherine, die zweite Wahl. Schon immer. Ihre Schwester Ruth war selbst nach ihrem Verschwinden omnipräsent gewesen. Dazu musste nicht einmal ihr Name ausgesprochen werden. Ihre Nichte war auch heute noch wie ein lebendes Mahnmal.
    »Außerdem«, fuhr Patricia fort, »muss ich mir überlegen, wo ich begraben werden möchte. Und wie die Trauerfeier abläuft. Wer eingeladen wird. Was es hinterher zu essen und zu trinken gibt. Die ganze Logistik. Ich werde gleich morgen damit anfangen. Oh, und wir richten ein Konto ein, sobald ich weiß, wie hoch die Kosten ungefähr sein werden. Darum kannst du dich dann kümmern. Sollen wir es gleich auf deinen Namen machen?«
    Katherine war eigentlich davon ausgegangen, ihre Mutter zu beerben. Auch wenn Patricia nichts Gegenteiliges gesagt hatte, beschlich sie allerdings gerade das Gefühl, hier nicht ganz umfassend unterrichtet zu sein. Warum sonst sollte Katherine ein Konto einrichten, von dem die Beerdigungskosten bezahlt wurden? Wenn sie doch erben würde, gäbe es dazu keine Veranlassung.
    Nein, sie war mal wieder von ihrer Mutter degradiert worden. Die Hoffnung, Emmas Lebenswandel würde Patricia ganz mit der folgsamen Katherine versöhnen, die genau das lebte, was sich ihre Mutter doch wünschen musste, war endgültig zerschlagen. Emma störte, mal wieder. Durchkreuzte Katherines Pläne, mal wieder.
    Emma hätte in der Nacht sterben sollen, in der das Feuer in ihrer Wohnung ausgebrochen war. Sie hätte sterben sollen, als Miles Fielding sie überfiel. Aber sie war noch da, und das, so empfand es Katherine, war einfach nicht richtig. Nicht, wenn Katherine endlich ein schönes, ruhiges Leben haben wollte.
    Von Miles hatte sie einiges gelernt. Den Umgang mit Twitter, zum Beispiel, und wie man sich möglichst unauffällig im Netz bewegte. Sie schrieb ein paar Mails, führte zwei, drei Telefonate, trank mit ihrer Mutter Tee und leistete ihr auch beim Essen Gesellschaft, hörte sich die langatmigen Geschichten über Bekleidungsdetails der anderen Trauergäste an, nickte höflich auch bei der fünften Hymne auf den souveränen Auftritt der jungen Thatcher-Enkelin, nahm die bissigen Bemerkungen über diverse Ex- und Neuehefrauen irgendwelcher Politiker zur Kenntnis und tippte dann in aller Ruhe einen Tweet von einem anonymen Account an Emma:
    11.30 pm. Wo alles begann.
    Sie würde es schon verstehen. Tatsächlich war Emma sehr verstört, als sie ihr später im Treppenhaus begegnete. Höflich erkundigte sie sich nach ihrem Befinden, und Emma sagte: »Ich weiß nicht, ich bin etwas durcheinander.«
    »Willst du darüber reden?« Fürsorglich legte sie ihr eine Hand auf den Arm.
    Und Emma zögerte, dachte darüber nach, sich ihrer Tante anzuvertrauen. Dann sagte sie: »Ich muss einen Moment nachdenken. Ich komme vielleicht später noch mal runter zu dir, wenn ich darf?«
    »Natürlich, Liebes. Jederzeit. Wir machen alle gerade eine schwere Phase durch. Da müssen wir zusammenhalten.«
    Einen Moment lang sah es so aus, als wollte ihre Nichte sie umarmen. Katherine schluckte, sie wusste nicht, was sie dann tun würde. Solche Vertraulichkeiten waren zwischen den beiden seit Emmas Pubertät schon kein Thema mehr, und auch davor waren die Bekundungen von Zuneigung überschaubar gewesen. Zum Glück hielt sich Emma zurück und warf sich ihr nicht an den Hals. Sie nickte nur, bedankte sich und ging – nicht in ihre Wohnung. Sondern rauf zu Patricia.

Kapitel 44
    E m schrieb zurück: Warum?
    Warum sollte sie irgendwo hingehen, nachts, um jemanden zu treffen, der viel Energie darauf verwendete, ihr Leben zu verkürzen? Natürlich würde sie nicht hingehen. Sie war doch nicht lebensmüde.
    Nachdem sie den Tweet gelesen hatte, war sie aus dem Haus gestürmt. Sie brauchte Luft, Bewegung, Ablenkung. Nach einer halben Stunde quer durch die Straßen des West Ends reichte es ihr, und sie ging zurück.
    Warum war es noch nicht vorbei? Hatte Robert aus der Untersuchungshaft heraus noch die Möglichkeit, jemanden auf sie zu hetzen? Vermutlich war das weniger schwierig, als sie es sich vorstellte. Nur verstand sie den Grund nicht. Sie hatte ihre Aussage längst gemacht. Die Polizei ermittelte gegen ihn. Was brachte ihm ihr Tod jetzt noch?
    Und doch hatte sie gerade eine eindeutige Nachricht bekommen. Oder verstand sie sie nur falsch? Hatte diese Nachricht gar nichts mit denen zu tun, die sie sonst bekommen
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