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Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben

Titel: Britannien-Zyklus 02 - Die Herrin der Raben
Autoren: Diana L. Paxson
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von allen Seiten zugleich. Dabei kamen sie zu der bitteren Erkenntnis, dass die Briten über einen großen Vorrat an Pfeilen verfügten, und zogen sich mit beträchtlichen, wenngleich nicht entscheidenden Verlusten zurück.
    In der Nacht versorgten sie ihre Wunden. In der frostigen Stunde vor dem Sonnenaufgang wurden Krieger ausgesandt, die sich geräuschlos über die Westseite des Hügels emporpirschen sollten. Als der lodernde Rand der Sonne die östlichen Hügel streifte, griff die zweite Truppe unter lautem Schlachtgebrüll von Osten her an. Das erste Tageslicht blendete die heranstürmenden Verteidiger.
    Die westlichen Angreifer nutzten geschickt die Ablenkung, sie überwanden die Barrikade aus Baumstämmen und Ästen und setzten die Wachen außer Gefecht. Dann rissen sie Teile der Brustwehr nieder, um den Nachfolgenden den Zugang zu erleichtern.
    Der Plan war gut. Die vom Schlaf trunkenen Briten drängten allesamt zur Ostseite des Hügels und die von Westen her angreifenden Sachsen fielen mit lautloser Grausamkeit von hinten über sie her. Oesc, der sie anführte, war der Erste, der die Gestalt erblickte, die ein fahler Schimmer umgab. Sie ragte vor ihnen auf und brüllte Worte der Macht mit einer Stimme, die jedermanns Seele lähmte.
    Seine Krieger, die nicht wussten, was sich ihnen entgegenstellte, erstarrten voll Entsetzen. Oesc erkannte Merlin, doch in jenen wenigen, entscheidenden Augenblicken, in denen die Briten merkten, von wo die wahre Gefahr drohte, war er ebenso wenig in der Lage zu handeln wie seine Männer. Dann verblasste der helle Schein; an seine Stelle traten gellende Schemen, die sich gegen die aufgehende Sonne abzeichneten. Nun waren es die Sachsen, die geblendet waren. Sie machten kehrt und rannten.
    Einen Lidschlag lang erspähte Oesc Artor, der nur mit einer Hose bekleidet war, aber sein Schwert in der Hand hielt, auf dessen Klinge das Licht der Morgendämmerung gleißte. Herausfordernd brüllte Oesc auf, aber er war im Strom seiner flüchtenden Krieger gefangen und wurde zur Lücke in der Barriere zurückgedrängt und den Hügel hinab mitgerissen.
    Gegen Ende des Tages wurde den Sachsen klar, wie schwierig es war, eine so große Armee in so unwegsamem Gelände zu versorgen. Artor und seine Krieger waren zwar von den Sachsen umzingelt, aber die Sachsen sahen sich ihrerseits umgeben von pfadlosen Hügeln, aus denen jedwede Nahrungsquellen verschwunden zu sein schienen.
    »Wenn wir hungrig werden, dann kann es ihnen nicht anders ergehen«, brummte Ceredic mürrisch. »Und selbst wenn sie Essen haben, wird ihnen bald das Wasser knapp. Die haben Pferde dort droben, Krieger! Morgen früh greifen wir wieder an und lassen nicht nach, bis wir den Hügel überrannt haben. Dann laben wir uns am Pferdefleisch und opfern den Hengst des Königs den Göttern.«
    Schöne Worte, dachte Oesc, während er sich eine Schnittwunde am Oberschenkel verband, aber wenn sie die Briten nicht bald zur Schlacht zwingen konnten, würden die Sachsen sich demnächst gegenseitig auffressen. Sein Blick wanderte zu dem langen, verhüllten Gegenstand, der beim Rest seiner Ausrüstung lag. Bis jetzt hatte er ihn nicht ausgepackt, denn auch Artors Schwert war in seiner steinernen Scheide in Londinium zurückgeblieben. Andererseits war auch an jenem Morgen Magie im Spiel gewesen, die Merlin gegen sie heraufbeschwor. Beim nächsten Angriff der Sachsen wollte Oesc den Speer verwenden.
     
    Bei Sonnenuntergang pflegte der Hochkönig unbegleitet die Barrikade entlangzureiten; er sprach mit jedem Wachposten, um die Männer, die dort ihre Pflicht taten, aufzumuntern. Am Abend des zweiten Belagerungstages gesellte sich Merlin zu ihm. Er hatte auf den rechten Augenblick gewartet, da die Vorräte nahezu erschöpft waren und der König bereit sein würde, seinen Worten zu lauschen.
    »Seid Ihr gekommen, um mir meine Dummheit vorzuhalten, wie Ihr es getan habt, als ich noch ein Knabe war? Ich habe darauf gehofft, Aelle würde gezwungen sein, die Belagerung aufzuheben, wenn ich hier Zuflucht suchte, und durch meinen Stolz haben wir womöglich nicht nur den Krieg, sondern ganz Britannien verloren«, meinte Artor verbittert, während sie die Barrikade entlanggingen. »Morgen müssen wir einen Ausbruch wagen.«
    »So schlecht war Eure Wahl nicht. Diese Hügelkuppe war schon früher eine Festung«, entgegnete Merlin.
    »Was meint Ihr damit?«, fragte Artor. Er hielt inne, um die Männer zu grüßen, die sich an das Gewirr von Baumstämmen am
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