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Bretonische Brandung

Bretonische Brandung

Titel: Bretonische Brandung
Autoren: Jean-Luc Bannalec
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wahrgenommen, dass er nicht allein gewesen war. Riwals Stimme war ein wenig dünn.
    »Die Leichen sehen fürchterlich aus.«
    Riwal hatte recht.
    »Welcher Gerichtsmediziner kommt?«
    »Docteur Savoir müsste jeden Augenblick hier sein. Er ist auf dem anderen Schnellboot. Mit Inspektor Kadeg.«
    »Natürlich. Das passt ja gut.«
    Es war allgemein bekannt, dass der Kommissar und Docteur Savoir wenig Sympathie füreinander hegten.
    »Docteur Lafond hat heute Morgen eine Verpflichtung in Rennes.«
    In der Regel arrangierte Nolwenn es im Hintergrund immer so, dass der alte – brummige, aber großartige – Docteur Lafond gerufen wurde, wenn Dupin ermittelte.
    Der Kapitän der Bir kam entschlossenen Schrittes auf sie zu.
    »Es sind drei Männer, alle vermutlich Anfang fünfzig«, der junge Mann sprach ernst und ruhig. »Identität bisher unbekannt. Sehr wahrscheinlich sind die Leichen mit der letzten Flut angeschwemmt worden. Sie liegen ziemlich weit oben am Strand. Wir verzeichnen auf den Glénan mächtige Strömungen, und in den Tagen der Springflut sind sie noch stärker als sonst. Wir fotografieren und dokumentieren alles.«
    »Ist das jetzt der niedrigste Stand der Ebbe?«
    »Fast.«
    Der Polizist schaute kurz auf die Uhr.
    »Das Tideniedrigwasser war vor eineinhalb Stunden. Seitdem läuft das Wasser schon wieder auf.«
    Dupin rechnete.
    »Es ist jetzt 10 Uhr 45 – die letzte Ebbe war also um …«
    »Der letzte Niedrigwasserstand war heute Morgen um 9 Uhr 15, der vorletzte gestern Abend um 20 Uhr 50. 12 Stunden und 25 Minuten früher. Der Höhepunkt der Flut wurde in der Nacht um 3 Uhr 03 erreicht.«
    Es hatte keine drei Sekunden gedauert, der Polizist schaute Dupin ohne das geringste Zeichen von Triumph an.
    »Haben wir Vermisstenmeldungen? Bei uns, bei der Seerettung?«
    »Nein, Monsieur le Commissaire, es liegen, soweit wir wissen, bisher keine vor. Die können aber noch kommen.«
    »Le Loc’h ist unbewohnt, oder?«
    »Ja. Saint-Nicolas ist die letzte bewohnte Insel des Archipels. Aber auch dort wohnen nicht viele Menschen. Allenfalls zehn, im Sommer fünfzehn.«
    »Das heißt, über Nacht ist hier auf der Insel niemand?«
    »Es ist streng verboten, auf dem Archipel zu campen. In manchen Sommernächten tun es ein paar Abenteurer dennoch. Wir werden uns die ganze Insel ansehen. Und vielleicht haben vergangene Nacht einige Boote in der Kammer vor Le Loc’h gelegen. Das ist ein beliebter Ankerplatz. Das werden wir herausfinden.«
    »Wie heißen Sie?«
    Dupin mochte den unaufgeregten, sorgfältigen, jungen Polizisten.
    »Mein Name ist Kireg Goulch, Monsieur le Commissaire.«
    »Kireg Goulch?«
    Dupin war die Nachfrage einfach rausgerutscht.
    »Genau.«
    »Das … das ist ein sehr … ein … ich meine, ein bretonischer Name.«
    Auch dieser Kommentar schien den jungen Mann in keiner Weise zu irritieren. Dupin räusperte sich kurz und gab sich Mühe, wieder konzentriert bei der Sache zu sein.
    »Inspektor Riwal sagte, der Engländer, der die Leichen entdeckt hat, war mit einem Kanu unterwegs.«
    »Hier machen viele Besucher Touren mit Meerkajaks, das ist höchst populär. Auch wenn sie um diese Jahreszeit noch nicht so zahlreich sind, einige sind schon da.«
    »Schon morgens? Sie machen ihre Touren bereits um diese Uhrzeit?«
    »Am allerliebsten. Über Mittag brennt die Sonne auf dem Meer bereits gewaltig.«
    »Der Mann hat aber nicht angelegt und ist ausgestiegen?«
    »Soweit wir wissen, nein. Hier am Strand sind auch keine Fußspuren zu sehen.«
    Dupin hatte gar nicht daran gedacht. Der nach jeder Flut wieder jungfräuliche Sand zeichnete aufs Vollkommenste jede Spur auf, sogar jeden Versuch einer Verwischung.
    »Wo ist der Mann?«
    »Auf Saint-Nicolas. Er wartet dort am Quai. Unser zweites Boot bringt einen Kollegen auf die Insel. Er wird mit dem Mann sprechen. Inspektor Kadeg hat das angewiesen.«
    »Inspektor Kadeg hat das angewiesen? «
    »Ja, er …«
    »Ist schon gut.«
    Es war nicht der Zeitpunkt für einen Affekt. Dupin nestelte mit einigem Aufwand aus seiner immer noch nassen Jacke eines seiner roten Clairefontaine-Hefte heraus, die er traditionell für Notizen verwendete. Weitgehend geschützt war es bei dem kleinen Meerunfall halbwegs trocken geblieben. Mit derselben eigenwilligen Umständlichkeit kramte er einen seiner billigen Bic-Kulis heraus, die er immer in großen Vorräten kaufte, weil sie ihm stets unbegreiflich schnell abhandenkamen.
    »Hat es denn irgendwo einen Schiffbruch gegeben?«
    Er
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