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Brennender Stahl (von Hassel)

Brennender Stahl (von Hassel)

Titel: Brennender Stahl (von Hassel)
Autoren: Peter Brendt
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    »Hast du auch alles?« Seine Mutter sah ihn besorgt an. Für Augenblicke erinnerte sie ihn mehr denn je an eine Glucke, die aufgeregt herumflatterte. »Willst du nicht doch noch einen Pullover mehr mitnehmen? Vielleicht etwas zu lesen?«
    Jens Lauer unterdrückte den Impuls, das Gesicht zu verziehen. »Nein, Mutter! Und außerdem haben wir nicht viel Platz.« Seine Stimme klang geduldig. Der Junge war knapp achtzehn und überragte seine zierliche Mutter wie ein Baum. Für einen Augenblick lang bedauerte er, nicht schon am Mittag in die Kaserne zurückgekehrt zu sein. Dann wäre er jetzt irgendwo mit den Kameraden auf Tour. Doch er verdrängte die Idee wieder.
    Nachdenklich blickte er auf seine Tasche und ging im Geist noch mal alles durch. Tagebuch, denn obwohl es verboten war, wollte er Tagebuch führen. Unterwäsche, aber nicht allzu viel. Nach ein paar Tagen im Boot würde sie ohnehin die Masern bekommen. Hemden, Bordmesser, ein Buch, einen dicken Pullover, der bis über den Hintern hinunterreichte. Der Rest war sowieso in der Kaserne. Wenn sie ausliefen, würde der größte Teil von seinem Kram dort zurückbleiben, sicher verstaut in großen Seesäcken, bis sie zurückkamen. Oder, falls sie nicht zurückkamen, würde sich jemand darum kümmern, dass man nicht gerade die Bilder aus seinem Seesack an seine Mutter schickte. Ein ernüchternder Gedanke, der Lauer mehr schreckte als die abstrakte Vorstellung zu sterben. Das war irgendwie etwas, was immer nur anderen passierte, obwohl er, wie jeder andere in der U-Bootwaffe, wusste, dass es bereits mehrere Boote erwischt hatte. Es war Krieg, aber irgendwie war er für ihn immer noch sehr weit entfernt. Es war etwas, mit dem sich der Verstand befasste, aber nicht das Gefühl. Nur wenn er ein paar der anderen sah ... er verdrängte den Gedanken.
    Mit etwas Mühe konzentrierte er sich wieder auf seine aufgeregte Mutter: »Ich habe alles, was ich brauche, Mutter.« Mühsam zwang er sich zu einem Lächeln: »Trinken wir noch einen Tee und dann lege ich mich hin. Morgen geht es früh raus.«
    Frau Lauer blickte überrascht auf. Etwas in der ruhigen Stimme ihres Sohnes war neu. Nichts Großes, bis jetzt, aber sie begriff, dass er anfing, ein Mann zu werden. Was immer man bei der Marine darunter auch verstand.
    Verstört musterte sie Jens. Er trug Zivil, aber hinter ihm, auf dem Stuhl lag schon seine Uniform bereit, und auf der kleinen Tasche thronte keck die Mütze. Er war bereit, er war es schon seit einiger Zeit, aber sie begriff es erst jetzt.
     
    * * *
     
    Müde und etwas lustlos blätterte der Kommandant durch die Unterlagen auf seinem winzigen Schreibtisch. Nicht, dass in den Papieren etwas stand, das er nicht schon wusste. Personalakten, Kriegstagebuch, Maschinenspezifikationen, alles das lag in einem wüsten Durcheinander auf dem Tisch. Er hatte alles durchgearbeitet und das nicht zum ersten Mal. Was er jetzt noch nicht erkannt hatte, würde er bei nochmaligem Lesen auch nicht finden. Dennoch ...
    Kapitänleutnant Heinz-Georg von Hassel zuckte unwillkürlich zusammen, als schwere Hammerschläge durch den Rumpf dröhnten. Anscheinend war sein LI zusammen mit ein paar Leuten auch noch am Arbeiten. Ein nachdenkliches Lächeln spielte um seine Lippen, als er an den morgigen Tag dachte. Es war soweit, morgen würde er U-68 in Dienst stellen. Seine grauen Augen blickten über die Dokumente auf dem Schreibtisch. Seit der Krieg ausgebrochen war, hatte man nicht mehr so viel Zeit, wie früher. Morgens die Indienststellung, ab dem Nachmittag sollten bereits drüben im Arsenal Vorräte eingeladen werden. Zwei Tage, das war alles, was man ihm gegeben hatte. Nicht viel, aber es würde reichen müssen.
    Er erinnerte sich noch gut an die Worte des BdU, als er zum Befehlsempfang angetreten war. »Ich brauche sie draußen, von Hassel. Nicht an Land, nicht im Stab und nicht an der Agru-Front, sondern draußen, von Hassel!« Der energische Admiral hatte ihm keinen Spielraum für Einwände gelassen. Jedes Boot wurde gebraucht, und immerhin hatte er das neueste Boot bekommen, auch wenn der Typ noch unerprobt war. Es gab zwar bereits mit U-64 ein Boot dieses Typs, das sich in der Ausbildung befand, aber was er bisher gehört hatte war nicht durchweg ermutigend.
    Von Hassel zuckte mit den Schultern. Das meiste würde er wohl selbst herausfinden müssen, ob er wollte oder nicht. Und wenn es nach dem Willen des Löwen ging, wie Admiral Dönitz von seinen U-Bootfahrern genannt wurde,
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