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Breed: Roman (German Edition)

Breed: Roman (German Edition)

Titel: Breed: Roman (German Edition)
Autoren: Chase Novak
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sind«, sagt Leslie.
    Der echte Steindrache von Ljubljana hockt auf einem Schloss auf der Anhöhe über der Stadt, aber auf der Drachenbrücke sind alle sechs Meter Nachbildungen davon aufgestellt. Als sie dort angelangt sind, hämmert der Regen wie ein Trommelwirbel auf ihren Schirm. Plötzlich frischt der Wind auf und reißt ihren einzigen Schutz aus Alex’ Händen. Hilflos sehen sie zu, wie der schwarze Schirm mit seinem Handgriff, der aussieht wie ein umgedrehtes Fragezeichen, den Fluss hinabtrudelt, an dessen Ufern sich auf der einen Seite die neue und auf der anderen die Altstadt ausbreiten.
    Sie laufen los. Der Sturm ist so heftig, dass praktisch keine Chance besteht, trocken zu bleiben, und irgendwie ist die ganze Sache so absurd katastrophal, dass sie sich unwillkürlich an den Händen fassen und lachen. Bald sind sie auf dem Burgplatz und stehen gegenüber dem düsteren alten Gebäude, in dem der Arzt praktiziert.
    Eine blinkende rote Ampel pulsiert im Regen wie ein Herz. Alex und Leslie überqueren die Straße, wobei sie fast mit einem Motorradfahrer kollidieren, der in seinem Regenschutz, einem langen schwarzen Poncho, wie der Tod selbst aussieht.
    Das Gebäude stammt aus den zwanziger Jahren und ist vage im Art-déco-Stil gehalten. Die Tür hat einen Bogen, die Fensterrahmen sind halbrund. Zwei weibliche Statuen in wallenden Gewändern bewachen die erste Etage, Schwerter in den Händen. Die Praxis von Dr. Kiš befindet sich ganz oben. Der Regen tropft Alex und Leslie von den Mänteln, als sie in einem Aufzug, offen wie ein Vogelkäfig, in den siebten Stock fahren, und dann müssen sie noch zwei Treppen mit feuchten Steinstufen bis zum neunten Stock hochsteigen.
    »Weiß eigentlich überhaupt jemand zu Hause, dass wir hier sind?«, fragt Leslie nervös, während sie auf die Tür des Arztes zugehen.
    »Deine Schwester weiß doch, wo du bist, oder etwa nicht?«
    Leslie schüttelt den Kopf. »Ich hab ihr gesagt, der Arzt ist in der Schweiz.«
    »Wie bist du denn darauf gekommen?«
    »Sie war so besorgt und kritisch. Da hab ich gedacht, ich sollte wenigstens ein Land nennen, von dem sie schon mal gehört hat.«
     
    Die obere Etage von Dr. Kiš müsste mal gefegt werden. Noch dringender wäre es, den Boden ordentlich mit dem Schlauch abzuspritzen. Vor einer Tür aus Mahagoni und Milchglas sind Zeitschriften auf dem Boden verstreut, als wäre wochenlang niemand mehr hier gewesen.
    Alex zieht eine Grimasse, um Leslie zu belustigen, eine Miene, die ausdrückt:
Oje, das ist womöglich das Verrückteste, was wir je unternommen haben.
Dann öffnet er die Tür, und sie stehen in einer Art Wartezimmer, möbliert mit ein paar klapprigen Stühlen und einem S-förmigen Sofa aus Vinyl. Keine weiteren Patienten, keine Sprechstundenhilfe.
    Stille, vom Geräusch des aufs Dach prasselnden Regens abgesehen.
    »Hallo?«, ruft Leslie.
    »Vielleicht sind wir ein bisschen zu früh dran«, sagt Alex.
    »Alex?«, fragt Leslie mit zittriger Stimme. Sie hebt den Arm, um auf etwas zu zeigen, doch sie ist so plötzlich und heftig von Furcht ergriffen, dass sie den Arm nur wenige Zentimeter höher bringt.
    Alex folgt dem Pfad, den Leslies Augen in die Luft brennen. In der Ecke steht …
ein Ding
. Zuerst hält er es für einen Bären, und dann meint er, es sei ein Wolf. Tatsächlich ist es ein riesenhafter Hund, ein schwarz-brauner Rottweiler mit abscheulichen gelben Augen. Er streckt den Kopf vor, während ein tiefes Knurren in seiner Brust grollt.
    Von einem uralten Beschützertrieb ergriffen, stellt Alex sich vor Leslie und spürt, wie ihre Finger sich in ihn krallen. Die Bestie kommt näher und näher, noch näher. Von ihren noppigen rosa Mundwinkeln hängt Speichel, dick wie saure Sahne. Ihre Augen sind schwachsinnig vor Gier, von ihren Flanken und Lenden steigt der Geruch von Fleisch auf.
    »Zeus! Was tust du denn hier draußen?«
    Gleichermaßen erschrocken und erleichtert, drehen sie sich um und sehen einen gepflegten Mann in den Zwanzigern, mit einem schmalen Gesicht und einem großen rötlichen Mund. Er trägt Röhrenhosen und ein knapp sitzendes Sportsakko. Sein schwarzes Haar ist gegelt, und seine dicke Brille hat einen schweren schwarzen Rahmen. Gehorsam trottet der Hund langsam an seine Seite.
    »Das tut mir aber schrecklich leid, Leute«, sagt der Mann mit britischem Akzent und in einem Tonfall, der gleichzeitig unterwürfig und sarkastisch klingt. Er hakt einen seiner knochigen Finger um das Halsband des Hundes und
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