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Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt

Titel: Brechreizend - Die fiesesten Reiseziele der Welt
Autoren: Catherine Price
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Der Mann hat Sie schon an die Seite geführt und den ekelhaften Haufen im Handumdrehen entfernt. Sie wollen gerade Ihr Portemonnaie zücken und ihm für seine Hilfe ein Trinkgeld geben, da verkündet er den Preis für »eine spezielle Schuhreinigung unter erschwerten Umständen«. Er ist höher als der durchschnittliche Wochenverdienst eines Arbeiters in Neu-Delhi.
    Bei näherer Betrachtung ist diese Masche wirklich bewundernswert. Die Dienstleistung ist bereits erbracht, und wer möchte schon mit einem Haufen Scheiße auf der Schuhspitze herumlaufen?
    Also bezahlen Sie – zwar nicht den Preis, den er genannt hat, aber immerhin noch so viel, dass es sich für ihn weiterhin lohnt, Passanten Kot auf die Fußbekleidung zu schmieren. Wenn Sie selbst zum Opfer wurden, dürfen Sie zu Recht stinksauer sein. Aber der Scheiße-Trick ist zumindest nicht so schlimm wie der Trick mit dem Rotz auf der Schulter. Dann bleibt Ihnen nämlich nicht einmal die Möglichkeit, auch nur ein Bakschisch zu geben – denn während jemand Ihnen einen schleimigen Klumpen auf die Jacke schmiert, stiehlt sein Kumpan Ihnen die Brieftasche.

3. Euro Disney

    I ch habe Disney World noch nie gemocht. Als Kind hatte ich eine Heidenangst vor verkleideten Leuten, dem Weihnachtsmann und überlebensgroßen Stofftieren. Und natürlich hasste ich die riesenhafte Maus, die durch die Straßen des Magic Kingdom lief und ahnungslose Kinder als Geisel nahm, bis ihre Eltern sie fotografiert hatten. Große, starre Augen, ein dämliches Grinsen und riesige Papphände – für mich der Stoff, aus dem Albträume gemacht sind. Als meine Eltern mir die Teilnahme an einer Veranstaltung namens »Frühstück mit Comicfiguren« schenkten, genügte mir ein einziger Blick auf Pinocchio, um mich gleich anschließend unter dem Tisch zu verbarrikadieren.
    Ich war also in Bezug auf Euro Disney vermutlich von Anfang an voreingenommen. Aber da war ich nicht die Einzige. Der Vergnügungspark wurde 1992 eröffnet in dem Versuch, den Europäern Micky Maus nahezubringen. Dabei neigen Europäer dazu, angesichts amerikanischer Kultur eine gewisse Skepsis an den Tag zu legen, vor allem dann, wenn diese Kultur es darauf anlegt, sich in den Köpfen und Herzen europäischer Kinder einzunisten. Nachdem aber Disney davon überzeugt war, dass die Missbilligung der Eltern längst nicht so groß sein konnte wie die Liebe ihres Nachwuchses zu Arielle, der kleinen Meerjungfrau, schlug das Unternehmen alle Bedenken in den Wind und ließ sich in einem bäuerlichen Städtchen namens Marne-la-Vallée nieder. Der Ort liegt nur einenKatzensprung mit dem Zug von Paris entfernt und wurde gewählt, weil er für achtundsechzig Millionen Menschen in einer weniger als vierstündigen Autofahrt erreichbar ist.
    Der Ärger war vorprogrammiert. Französische Landwirte gingen von einer direkten Verbindung zwischen Euro Disney und der amerikanischen Regierung aus und blockierten die Einfahrt zum Park mit Traktoren, um gegen die europäische und amerikanische Agrarpolitik zu demonstrieren. Die französische Theater- und Filmregisseurin Ariane Mnouchkine bezeichnete Euro Disney als »kulturelles Tschernobyl«, und auch wenn sie in ihren Vergleichen zu nuklearen Übertreibungen neigte (»Das Fernsehen erscheint mir als bedrohliches, kulturelles Tschernobyl«, erklärte sie im Juli 1993 der New York Times ), blieb die Bezeichnung haften.
    Disney beging jedoch noch weitere taktische Fehler: Der Park öffnete beispielsweise seine Pforten erstmalig mitten in einer Phase der Rezession in Europa. Das Unternehmen verprellte Jobbewerber mit einer restriktiven Kleiderordnung, die nicht nur lange Fingernägel verbot, sondern von weiblichen Bediensteten auch »angemessene Unterwäsche« verlangte. Was natürlich die Frage aufwirft, warum eine Angestellte bei Disney ihre Unterwäsche vorzeigen soll. Bei dem hauptsächlich für den Aufenthalt im Freien konzipierten Projekt vergaß man die Tatsache zu berücksichtigen, dass in Frankreich – im Gegensatz zu Florida und dem südlichen Kalifornien – einmal im Jahr der Winter einbricht. Zudem galt in den Park-Restaurants ein strenges Alkoholverbot, mit dem sich die Europäer, die gern ein Glas Wein oder Bier zum Mittagessen trinken, nur schwerlich anfreunden konnten. Im Juli 1993 – also etwas mehr als ein Jahr nach Eröffnung des Parks – beliefen sich die Schulden von Euro Disney auf ungefähr 3,7 Milliarden Euro. Aber das Unternehmen gab nicht auf, allen
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