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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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unternehmen, damit das heute das erste und letzte Mal war.«
    »Wie stellst du dir das vor? Der hat seine Strafe abgesessen und kann sich aufhalten, wo er will«, sagte Rohrbach und hörte, wie ein Rauschen in seinen Ohren anschwoll. Er sah zwischen Baring und dem Alten hindurch aus dem Fenster und wünschte sich hinaus in die Kälte.
    »Wir könnten Ehmke sagen, er soll sich darum kümmern«, schlug Baring vor.
    »Ist der denn hier?«
    »Nee, aber es gibt schließlich Telefon.«
    »Ich weiß nicht …« Rohrbach wusste sehr wohl. Der Letzte, mit dem er zu tun haben wollte, war Ehmke.
    »Rein rechtlich ist wohl nichts zu machen«, sagte Sabine. »Aber Ehmke könnte es zumindest versuchen.«
    »Genau«, stimmte Baring zu. »Klartext mit ihm reden, ein bisschen Druck machen. Die Kripo hat doch da so ihre Methoden.«
    »Denk an die Mädchen«, mahnte Sabine.
    Tu ich doch, dachte Rohrbach. Seit zwanzig Jahren. An dich und an die Mädchen. Und an den Alten noch viel länger. Er fühlte sich fiebrig.
     
    Thiel wäre gerne noch an ihr Grab gegangen. Hätte sich auf eine Bank setzen und ihr erzählen wollen, wie es ihm ergangen war. Dass sie jeden, wirklich jeden Tag bei ihm war. Und dass er sie unter anderen Umständen vielleicht schon vergessen hätte.
    Aber man hat mich als deinen Mörder verurteilt, verstehst du?
    Da vergisst es sich nicht so leicht.
    Weil er nicht wusste, wo er sie auf dem Friedhof suchen sollte, ging er gar nicht erst hin.
    Die Rückfahrt nach Bergen verschlief er. Schwitzte in seiner dicken Jacke und wischte sich einen Speichelrest aus dem Mundwinkel, bevor er ausstieg.
    Vorausgesetzt, die Bahnhofsuhr ging genau, dann war es halb sechs, als er am Ehrenmal vorbei auf den Eingang zumarschierte. Wenn er schnell genug an sein Gepäck kam, konnte er es schaffen. Den letzten Bus nach Schaprode, die letzte Fähre zur Insel.
    Möglich, aber keine gute Idee. Es war dunkel, es war kalt, und er konnte nicht sicher sein, dass die Sache mit dem Strom geklappt hatte. Und eine eisige Nacht in der Finsternis war alles andere als verlockend. Außerdem musste er etwas gegen seine Übelkeit tun. Seit dem Morgen hatte er nichts mehr gegessen.
     
    Er fand eine Pension in der Bahnhofsstraße. Sie unterschied sich nur unwesentlich von seinem letzten Nachtquartier. Bett, Tisch, Stuhl. Auf dem hockte er und versuchte, nicht zu denken.
    Schweigen. Atmen. Trinken. Bis die Flasche leer war.
    Spät in der Nacht torkelte er aus dem Bett und schaffte es gerade noch bis zur Duschwanne. Irgendwo hatte er das Jägerschnitzel gegessen, dessen Reste bis zum Morgen den Abfluss verstopften.
    Beim Zähneputzen konnte er seinem Spiegelbild nicht entgehen. Sah verquollene Augen und kalkweiße, fleckige Haut.
    Du bist im Arsch, nuschelte er sich zu. So was von im Arsch, dass es einen erbarmen kann.
    Er nahm zwei Aspirin, machte sauber und ließ das Fenster offen, als er ging.
     
    Im Bus nach Schaprode machte ihm das Schaukeln zu schaffen. Er lenkte sich ab, indem er aus dem Fenster sah. Aufmerksam wie ein Urlauber, dem weiße Landschaft und verschneite Dörfer geboten wurden. Niedrige Häuser unter Schilfdächer geduckt. Alleen im Schneegestöber. Thiel nahm es als gutes Zeichen, dass diese Schönheit ihn berührte. Zum ersten Mal ahnte er, wie sich die Freiheit anfühlen könnte.
    Der Hafen gefiel ihm weniger gut. Zu neu, zu glatt, zu geleckt das Ganze. Was man von der Vitte zum Glück nicht sagen konnte. Breit und massig lag sie am Kai und verstärkte Thiels Wohlgefühl, als er das dunkle Vibrieren ihrer Maschinen spürte.
    Er blieb auf dem Außendeck, ließ Dorf und Hafen aus seinem Blick gleiten und sah zu, wie der Bug der Fähre sich zwischen die Eisschollen schob. Sie in weiten, trägen Wirbeln kreisen ließ, bevor sie an der Eisdecke rechts und links der Fahrrinne andockten. Am Ufer konnte er Schwäne ausmachen. Vier oder fünf aufgeplusterte Gestalten, wie verschmolzen mit all dem Weiß um sie herum. Es hörte auf zu schneien, aber der Wind wurde schärfer, je weiter sie auf den Bodden hinauskamen. Thiel fror. Er zog die Mütze über die Ohren, stopfte die Hände tief in die Taschen und wünschte, die Sonne möge es durch die Wolken schaffen.
    Auf halber Strecke tat sie ihm den Gefallen. Ließ das Grau heller und durchsichtiger werden und tauchte die Insel in gleißendes Februarlicht, als die Fähre auf Hiddensee zuschwenkte.
    Sein Blick strich über den walddunkel aufragenden Dornbusch im Norden, über die Dächer von Kloster,
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