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Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)

Titel: Brandeis: Ein Hiddensee-Krimi (German Edition)
Autoren: Birgit Lautenbach , Johann Ebend
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gegenüber auf den Platz am Fenster und zog einen der Becher zu sich herüber. Der Kaffee war kalt, und Thiel hatte die Milch vergessen.
    »Haben Sie schon angerufen?«
    Thiel nickte. Runzelte die Stirn, als hätte er Kopfschmerzen, und drehte nervös sein Feuerzeug zwischen den Fingern.
    »Und?« Es ließ sich nicht überhören, dass Pieplow gereizt war.
    Thiel ließ das Feuerzeug im Sekundentakt auf den Tisch klacken. »Er muss erst in seinem Büro mit mir reden. Unbedingt, sagt er. Es klang … ich weiß nicht … irgendwie … es klang einfach verdammt wichtig.«
    »Aber Sie wissen nicht, worum es geht?«
    »Nee«, sagte Thiel. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung. Ich weiß nur, dass ich mich fühle wie dieser
Typ mit dem Murmeltier, der jeden Morgen aufwacht und nichts hat sich geändert. Nur dass ich in meinem Film im Knast bin, wenn ich aufwache.« Er stockte und senkte den Kopf, ehe er weitersprach. »Obwohl  … so schlecht wär’s eigentlich gar nicht. Man hat seine eigene Zelle, man hat zu tun und ein paar Leute, mit denen man klarkommt. Das ist mehr, als ich hier draußen habe.«
    »Verstehe«, sagte Pieplow. »Aber noch ist es nicht so weit. Noch ist nichts passiert, was Sie dorthin zurückbringen könnte.«
    »Wenn Sie meinen …« Thiel hob den Blick und ließ ihn nach draußen wandern, übers Eis ins Ungefähre. »Was ist?«, fragte er, ohne Pieplow anzusehen. »Fahren wir jetzt zu Willeke oder nicht?«
    »In Ordnung«, sagte Pieplow resigniert. Auf eine Stunde mehr oder weniger kam es schließlich nicht an. Sie würden die letzte Fähre zurück auf die Insel ohnehin nicht mehr erreichen.
     
    Das Gebäude am Jungfernstieg war neu und unbestreitbar das, was man repräsentativ nannte. Die Kanzlei Willeke – Reuß – Steglitz residierte im ersten Stock und imponierte mit viel Teak und Chrom und großformatiger Kunst an den Wänden. Außer einer nicht mehr ganz jungen, brünetten Frau hinter dem Empfangstisch war niemand auf dem weitläufigen Flur.
    »Was kann ich für Sie tun?«
    Pieplow nahm die Uniformmütze ab, klemmte sie
unter den Arm und blieb an der Tür stehen, während Thiel auf den Tisch und die Brünette zuging. Er musste sich räuspern, bevor er sprach.
    »Ich … äh … Thiel ist mein Name. Heiner Thiel. Ich …«
    »Ach, Herr Thiel.« Sie beugte sich zur Seite und drückte einen Knopf der Sprechanlage. Wenn es sie irritierte, dass der Mandant in Polizeibegleitung kam, verbarg sie es perfekt.
    Bevor er erklären konnte, was es mit Pieplow auf sich hatte, wurde am Ende des Flurs eine Tür geöffnet.
    »Herr Thiel! Schön, dass Sie da sind.« Willeke klang noch jovialer, als Thiel es in Erinnerung hatte. »Und, wie ich sehe, sogar mit Geleitschutz.« Er streckte Pieplow die Hand entgegen. »Guten Tag, Herr … äh  … Entschuldigung, aber auf die Schnelle habe ich mir Ihren Namen nicht merken können.«
    »Pieplow. Polizeiobermeister Daniel Pieplow.«
    »Ah, ein Mann von der Küste, wenn mich Ihr Name nicht täuscht.«
    »Stimmt, ich stamme vom Darß«, sagte Pieplow höflich. Noch wusste er nicht, was er von diesem leutseligen Anwalt halten sollte, der sehr offiziell Jackett und Krawatte trug. Der so dick war, dass sein Bauch über den Hosenbund quoll, und auf unklare Weise nervös wirkte.
    »Sehen Sie! Ich wusste es doch!« Willeke klang, als hätte er etwas Bedeutsames zu Tage gefördert. »Nun ja, wie dem auch sei, vielleicht nehmen Sie dort so
lange …« Er wies auf zwei schwarze Ledersessel, die unbequem aussahen.
    »Ich will, dass er mitkommt«, sagte Thiel, bevor Willeke ausgesprochen hatte. »Er weiß alles, was in den letzten Tagen passiert ist.«
    »Ah so, ja, nun gut. Dann … Möchten Sie etwas trinken? Kaffee? Tee? Oder Wasser?«
    Pieplow entschied sich für Kaffee, Thiel wollte nur Wasser. Sein Mund war so trocken, dass er kaum schlucken konnte.
    Die Brünette nickte und stand auf. Sie würde das Gewünschte bringen.
    Willekes Büro war beeindruckend. Durch raumhohe Fenster ging der Blick durch kahle Baumkronen auf den Knieperteich. In der Dämmerung drehten Schlittschuhläufer ihre Runden über das Eis. Dahinter ragten die Türme von Stralsund in den Himmel, in dessen Grau im Westen ein schmuddeliges Rosa einsickerte.
    Auf Willekes Schreibtisch türmten sich rechts und links Akten, die meisten so dick, dass sie mit Bändern zusammengehalten wurden. Zwischen den Stapeln, dort, wo Willeke Platz nahm, lag ein packpapierbrauner Umschlag, auf dem er mit den
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