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Braeutigame

Braeutigame

Titel: Braeutigame
Autoren: Michael Braun
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„Die sind alle in der Küche im Haus.“
    „Und euch wollen sie da nicht haben ? Kann ich mir schon denken.“
    Jakob kniff die Lippen zusammen, ohne sie anzusehen.
    „Ist Hedwig da ?“
    Jakob schüttelte den Kopf. „Nur Onkel Prudöhl und Tante Irma. Und deren ihr Gustav – der meschugge ist und nichts redet, der ... ? – und sonst… weiß ich nicht. “
    Im Hof saßen Hedwig und Georg unter einem Fliederbusch auf dem Rand des Brunnens und fütterten ein Kaninchen mit Luzerne .
    „Nimmst du Klara, Georg?“, rief Alma, als sie vom Wagen stieg. Sie wusste, dass sie ihrem Bruder damit eine Freude machte und wartete sein e Antwort nicht ab: Georg, barfuß und ohne Hemd , verbrachte so viel Zeit wie möglich mit den Pferden. Im Sommer schlief er oft auf einem Laken im Stallstroh, und seinem Tätz hatte er das Kunststück beigebracht, sich unter ihm langsam auf die Seite zu legen . Mit Mischka machte sich Georg einen Spaß daraus, nebeneinander mit vollen Wassergläsern in der Hand zum Kogälnik zu galoppieren, um zu sehen, wessen Glas am Ende voller war. Seit zwei Jahren verlor Mischka.
    Georg nahm die Zügel. „Was ist mit den Harbusen?“, fragte er.
    „Die kannst du auf dem Wagen lassen“, sagte Alma. „Mit denen fahren wir morgen früh nach Romanowka. Oder nein, vielleicht – warte… Was war das?“
    Sie hatte einen Schrei gehört, weit weg, im Haus . Einen hohen, heiseren Schrei.
    Sie sah Minna an.
    „So geht e s schon seit ein paar Stunden“, sagte Hedwig. „Da s Kind will nicht an die Luft kommen – und wen sollte es wundern? Der Junge ist einen ganzen Monat zu früh oder mehr noch. Wenn es d enn ein Junge ist. Das sind die Wehen .“
    Alma und Minna gingen über den Hof , vorbei an den Ställen, einem Pferch mit zwei Säuen und ihren Ferkeln, den hölzernen Popschahäusern, die bis zur Maisernte im Herbst leer standen. Vor dem lindgrün und weiß gestrichenen Wohnhaus der Freiers wuchsen in einem ummauerten Garten Zwiebeln, Knoblauch, Stockrosen und die Tulpen der Mutter. Im Erdgeschoss des Hauses lagen Küche, Stube und die Schlafzimmer ; i m Altenteil, einem flachen Anbau, der zugleich a ls Durchgangszimmer zur offenen Sommerküche im Hof dien t e , lebte Oma Mathilde . Sie war fast sechzig Jahre alt, trug seit dem T od ihres Mannes, noch unter dem Zaren, schwarze Kleider und brauchte wenig, um mit ihrem Leben zufrieden zu sein: ihre Mandoline, im Winter eine Federdecke und vor dem Schlafengehen ein Glas Pflaumenschnaps. Oma Mathildes Tochter, Marga Freier , hatte die schwere Eichentruhe ins Altenteil gestellt, die einer ihrer Ahnen vor fünf Generationen aus Württembe rg mit gebracht hatte. In dieser Truhe bewahrten sie Pelzmäntel, Mützen un d Handschuhe unter einer dicken Schicht aus getrocknetem Pfefferkraut auf , das in den Sommermonaten Ungeziefer fernhielt, und der Geruch des Krauts war auf Oma Mathilde übergegangen .
    Alma und Minna öffneten die Gartenpforte und sprangen nebeneinander die Steinstufen hoch, die unter ein weißes Vordach aus Holz führten.
    „Warte, Alma“, flüsterte Minna. Sie hielt ihre Schwester am Ärmel fest. „Warte. Da sitzt einer.“
    „Wo?“ , flüsterte Alma zurück.
    „Vorn e auf der Bank an d er Straße, neben der Pforte. Da… S iehst du den Hut?“
    „Wer ist denn zu Besuch um diese Zeit?“
    „Weiß ich nicht“, flüst erte Minna. „Gehen wir eben nachsehen. “
    Es war Gustav, Irma Schillings Sohn, der Idiot von Leipzig, der hinkte, schon immer. Auf den hatten alle ein Auge und ließen ihn nicht aus dem Dorf, weil er ni cht richtig im Kopf war und Unfug anstellte mit sich und den Tieren. Gustav saß breitbeinig auf einer Bank, den Rücken gegen die Hofm auer gelehnt . Er grinste die Mädchen an und zeigte mit einer qualmenden Meerschaumpfeife im Mund seine braunen Zä hne. Neben ihm stand ein halb geleertes Glas Wein. Gustav hat te die Hände zufrieden auf seinem Bauch gefaltet . Er war das einzige Kind von Irma Schi lling und verbrachte die meiste Zeit damit , seiner Mutter hinterherzulauf en, wenn s ie durchs Dorf zog, um Fohlen , Ferkel, Kälber und Kinder auf die Welt zu holen.
    „Tag, G ustav“, sagte Alma schüchtern . Die Mädchen fürchteten sich v or ihm. Er war verrückt, sagten di e Erwachsenen – wie ein Kind im D enken – hatte seiner Mutter sein Leben lang nur Arbeit und Mühe gemacht. Gustav nickte ihnen zu und grinste . Dann wandte er sich wieder der Straße zu, die um diese T ageszeit kaum befahren war.
    Alma und
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