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BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)

BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)

Titel: BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)
Autoren: Marah Woolf
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die Buchrücken, bevor sie sich endgültig daran machte, Marie zu folgen.
    Deren Schritte waren jedoch verstummt. Lucy sah nach rechts und nach links. Um sie herum erstreckte sich das Gewirr der Gänge. Wo konnte Marie hin sein? So lange hatte sie nun auch nicht getrödelt.
    Plötzlich schob sich einige Reihen weiter Maries blonder Lockenkopf zwischen zwei Regalen hervor.
    »Wo bist du denn?«, rief sie mit piepsiger Stimme. »Ich hab schon befürchtet, ein Gespenst habe dich geholt.«
    Lucy grinste und lief zu ihr. »Sag bloß, du hattest Angst?«
    »Findest du es nicht unheimlich?«, fragte Marie zurück.
    Lucy schüttelte den Kopf.
    »Hhmpf«, machte Marie. »Los, komm. Je eher ich wieder oben bin, desto besser.«
    Einige Minuten später blieb Marie vor einem kleinen Büro stehen, das sich an eine der Außenwände schmiegte. Sie öffnete die Tür. Die Kühle, die im Archiv die Bücher schützte, wich hier einer angenehmen Wärme. Lucy sah sich um. Der Raum hatte den Namen Büro kaum verdient. Zelle wäre angemessener, fand Lucy. Der Eindruck verstärkte sich noch durch die vielen im Raum verteilten Bücherstapel, die es ihr kaum ermöglichten, einen Fuß vor den anderen zu setzen.
    Eine winzige Lampe brannte auf dem Schreibtisch, der ebenfalls mit Büchern übersät war. Es schien fast unvorstellbar, dass hier noch ein Mensch reinpassen sollte.
    »Sie ist nicht da«, sagte Marie. »So ein Mist, jetzt müssen wir nach ihr suchen. Ich hab jedes Mal Angst, dass ich mich in diesem Labyrinth verlaufe und nicht mehr herausfinde.«
    »Wie lange arbeitest du noch mal hier?«, fragte Lucy und grinste.
    »Zwei Jahre. Das weißt du doch«, antwortete Marie.
    »Na ja, ich würde denken, nach zwei Jahren kennst du alles wie deine Westentasche.«
    »Für oben trifft das auch zu. Ich glaube, ich würde jedes Buch mit geschlossenen Augen finden«, lachte Marie. »Aber nach hier unten verirre ich mich fast nie. Und das ist auch gut so. Du warst doch selbst noch nicht hier, oder?«
    Lucy nickte und fragte sich, warum das so war. Sie fand es eigentlich ganz anheimelnd. Doch sie wusste, dass nur wenige Menschen ihre Vorliebe für die Abgeschiedenheit und die Dunkelheit teilten. Sie war das einzige Kind im Heim gewesen, das sich bei den nächtlichen Mutproben auf den Speicher getraut und es länger dort ausgehalten hatte. Es machte ihr nichts aus. Im Gegenteil. Sie wäre glücklich gewesen, wenn ihr wenigstens einmal ein Gespenst über den Weg gelaufen wäre. Aber Fehlanzeige. Vielleicht hatte sie an diesem Ort mehr Glück.
    Marie hingegen war eher ein Lichtmensch. »Miss Olive«, begann sie zu rufen. »Miss Olive. Ich habe jemanden für Sie.«
    Nichts geschah. Marie seufzte auf. »Meinst du, du kannst sie ohne mich suchen?«, fragte sie. »Sie ist das Einzige, vor dem du dich hier nicht fürchten musst.«
    Lucy nickte. Sie hatte bereits ein paar Mal mit Miss Olive gesprochen, wenn diese Bücher in den Lesesaal gebracht hatte, und schnell beschlossen, sie zu mögen.
    Erleichterung breitete sich auf Maries Gesicht aus. »Eigentlich ist es nicht so schwer, wenn man das System verstanden hat. Hier im vorderen Bereich sind alle Regale nach dem Alphabet geordnet.« Sie wies auf den Buchstaben E, der das Regal direkt vor ihnen zierte. »Hierher musst du zurück. Geh nicht zu weit hinein. Hinten wird es deutlich komplizierter. Da findet sich maximal Miss Olive zurecht. Das Archiv ist nicht einheitlich strukturiert. Früher haben die Archivare mit einem System römischer Ziffern gearbeitet. Das ist nicht so leicht zu verstehen wie die alphabetische Ordnung. Aber ich glaube nicht, dass Miss Olive so weit nach hinten gegangen ist. Sie wird vermutlich irgendwo in der Nähe Bücher einsortieren. Also geh nicht zu tief hinein. Das Archiv reicht viel weiter, als man auf den ersten Blick vermutet.«
    Lucy hörte ihr aufmerksam zu, während sie sich umsah. Neugier breitete sich in ihr aus. Die unendlichen Regalreihen, die den Raum durchzogen und sich der Kuppel entgegenstreckten, bildeten ein Labyrinth, aus dem ein uneingeweihter Besucher nie herausfinden würde, vermutete sie.
    »Das System, nach dem das Archiv einmal geordnet gewesen ist, ist im Laufe der Jahrhunderte verloren gegangen«, referierte Marie weiter. »Jeder Archivar hat dem Saal seinen Stempel aufgedrückt. Überhaupt ist es falsch, von einem Saal zu sprechen. Neben dem Hauptraum gibt es viele kleinere und größere Räume, Nischen, manchmal Höhlen, in denen Bücher aufbewahrt
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