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BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)

BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)

Titel: BookLess.Wörter durchfluten die Zeit (BookLessSaga Teil 1)
Autoren: Marah Woolf
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Büchern, die sie vor wenigen Minuten auf ihrem Schreibtisch abgelegt hatte. Wenigstens diese würde sie retten. Sie würde sie nicht dem Feuer überlassen.
    Sie zog ihre Strickjacke von der Lehne des Stuhls, griff nach einer Wasserflasche und goss ihren Inhalt darüber. Sie drückte sich den feuchten Stoff vor Mund und Nase, nahm die Bücher und umklammerte sie wie einen Rettungsanker. Dann trat sie vor die Tür und sah sich um.
    Das Feuer hatte sich weiter vorgearbeitet. Es breitet sich zu schnell aus, schoss es Lucy durch den Kopf, bevor sie losrannte. Die Bücher in ihrem Arm behinderten sie, aber sie war nicht gewillt, sie den Flammen zu überlassen.
    Der Weg vor ihr dehnte sich ins Unendliche. Der Rauch nahm ihr erst die Sicht und dann den Atem.
    Ein Krachen ertönte hinter ihr. Lucy sah sich um. Die riesigen Regale begannen einzustürzen. Das Feuer hatte sich durch ihre dicken Eichenbretter gefressen und diese hielten ihm nicht länger stand. Funken stoben durch den Raum und eine Welle aus Flammen, Schutt und Asche flog auf Lucy zu. Sie versuchte, schneller zu laufen. Eigentlich hätte sie längst bei der Treppe angekommen sein müssen. Mit Erschrecken wurde ihr bewusst, dass sie falsch abgebogen war. Sie sah nach oben. Durch den Qualm war der Buchstabe, der der Regalreihe ihren Namen gab, nicht mehr zu erkennen. Lucy begann zu husten. Panik machte sich in ihr breit. Was, wenn sie nicht hinausfand?
    Sie ließ die feuchte Strickjacke, die sie beim Laufen behinderte, fallen und zerrte mit einer Hand einen der sorgfältig verschlossenen Kartons aus dem Regal. Oben auf dem Deckel war deutlich die Signatur zu lesen. Sie begann mit dem Buchstaben L.
    »Verfluchter Mist«, krächzte Lucy in den Lärm des Infernos. Sie hätte in Reihe H abbiegen müssen. Zurück konnte sie nicht. Das Feuer war zu nah. Die Hitze brannte auf ihrer Haut. Den Ausgang würde sie nur noch über Umwege erreichen. Sie nahm das Buch aus dem Karton, den sie achtlos fallen ließ. Sie konnte es nicht zurücklassen und der Vernichtung preisgeben. Dann rannte sie, so schnell ihre schmerzende Lunge es zuließ, weiter.
    Minuten später wurde ihr klar, dass sie sich rettungslos verlaufen hatte. Lucy konnte nicht mehr. Ihr fehlte die Luft zum Atmen. Um sie herum brodelte das Feuer, griff nach allem, was ihm in die Quere kam und fraß es auf.
    Egal, in welche Richtung sie sich wandte, von allen Seiten stürmte es auf sie zu. Eine alles vernichtende Armee, die erbarmungslos ihr Werk verrichtete.
    Sie saß in der Falle.
    Tränen rannen ihr über die Wangen und sie versuchte wütend, sie fortzuwischen.
    Das war sein Werk. Sie hatte ihm vertraut und er hatte sie getäuscht.
    Sie wollte die Gedanken an ihn abschütteln. Wenn sie schon starb, sollte ihr letzter Gedanke nicht ihm gelten. Lucy schluchzte und verbarg ihr Gesicht in ihren Händen. Langsam rutschte sie, an eines der Regale gelehnt, zu Boden. Mit der linken Hand umfasste sie das Medaillon fester.
    Dann begann sie zu beten, etwas, das sie nicht mehr getan hatte, seit sie das Kinderheim, in dem sie aufgewachsen war, verlassen hatte.
    Doch die glühend rote Welle ließ sich damit nicht aufhalten. Sie rollte heran und fraß Lucys Welt.
     

 
    Das Buch muss die Axt sein,
    für das gefrorene Meer in uns.
     
    Franz Kafka
     
      1. Kapitel
     
    London, einen Monat zuvor
     
     
    Lucy rannte die Treppe zur Bibliothek hinauf. Keuchend kam sie auf dem obersten Absatz zum Stehen. Sie schob sich durch die Eingangstüren und den winzigen Vorraum. Unvermittelt sah sie in das missmutige Gesicht von Mr. Barnes, dem neuen Direktor der Londoner Bibliothek. Er hatte sich im Empfangsbereich aufgebaut und wie üblich die Arme hinter dem Rücken verschränkt. Sein Fuß wippte ungeduldig auf und ab. Offenbar sollte ihm diese Pose einen Hauch von Wichtigkeit verleihen.
    »Miss Guardian«, begann er seine Litanei. »Ich weiß nicht, was ich mit Ihnen anstellen soll. Was ist so schwierig daran, pünktlich an seinem Arbeitsplatz zu erscheinen? Sie wissen, dass eine Menge anderer Studenten für diesen Job Schlange stehen. Ich weiß nicht, wie lange ich Sie unter diesen Umständen noch beschäftigen kann.«
    Lucy hätte am liebsten die Augen verdreht. Sie kannte diese Predigt in- und auswendig. Ihr Blick schweifte zum Empfangstresen, wo sich ihre Freundin Marie gerade in haargenau der gleichen Pose wie Mr. Barnes aufbaute und flüsternd jedes seiner Worte mitsprach. Lucy biss sich in die Wangen, um nicht loszulachen. Es war
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