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Böser Engel

Böser Engel

Titel: Böser Engel
Autoren: George Wethern
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Mann in den Dreißigern. Helen, eine kesse, jugendliche Dreißigjährige, benötigte nur kleine Veränderungen in Frisur, Make-up und Verhalten.
    Später stießen die Kinder zu uns, und wir feierten ein verspätetes, emotionales Weihnachtsfest. Wir bauten Schneemänner, schlemmten und verteilten Geschenke. Das wichtigste Geschenk aber war das Beisammensein. Wir lachten über unsere neuen Namen und Identitäten und studierten unsere neuen Lebensläufe ein. Und wir blickten in die Zukunft, voller Vorfreude darauf, wieder eine Familie mit einem gemeinsamen Namen, einer Vergangenheit und einem Zuhause zu sein.
    Die Marshals stellten eine »dokumentierte Vergangenheit« für uns zusammen: neue Geburtsurkunden, Taufscheine, Schulzeugnisse, Sozialver­sicherungskarten, Führerscheine und andere Papiere. Dann brachten sie uns in eine Stadt und zeigten uns ein Haus. Natürlich hatten sie die Nachbarn und die Umgebung genau überprüft.
    »Das nehmen wir«, sagte ich. Das Land erstreckte sich offen in alle Richtungen, und in den schmucken Häusern und kleinen Geschäften in der Nähe, die uns alle fremd waren, lebten echte Menschen. Ein paar Kirchen, die Grange Hall 59 und die Highschool ragten in den eisblauen Himmel hinauf. Es hätte jede der Tausenden von Gemeinden im Land sein können, die vorbeirasende Autofahrer nur anhand ihrer Namen zu unterscheiden vermögen.
    Bevor wir einzogen, wurden alle unsere Sachen, die auch nur den kleinsten Hinweis auf unsere Vergangenheit hätten liefern können, vernichtet, verkauft, geändert oder in den Müll geworfen. Man warnte uns davor, Drogen zu konsumieren und uns mit Kriminellen einzulassen, und riet uns, die Kinder nicht in Konfessionsschulen zu schicken, weil dies möglichen Attentätern bei der Suche nach uns geholfen hätte. Wir bekamen Telefonnummern, die wir sofort wählen sollten, wenn wir verdächtige Personen bemerkten. In diesem Fall wurde uns rasche Hilfe zugesichert. Es war verboten, ehemalige Freunde und Bekannte anzurufen, und Anrufe bei Verwandten waren nur über besondere staatliche Netze erlaubt, damit niemand sie zu uns zurückverfolgen konnte. Die Post lief durch mehrere Büros der Regierung, damit unser Aufenthaltsort und unsere Identität geheim blieben.
    Sobald wir uns in unserem ziemlich normalen Heim eingerichtet hatten, begannen wir uns Sorgen über die Maskerade zu machen, die uns bevorstand. Über Nacht änderte sich unsere Aufgabe – wir sollten uns nun nicht mehr verstecken, sondern integrieren. Fast sofort luden uns die Nachbarn zum Kartenspielen ein. Als wir zu ihrer Haustür gingen, fragten wir uns, ob wir das durchhalten würden. »Schatz, du musst einfach improvisieren«, sagte ich zu Helen. Es war wirklich schwer für uns, obwohl wir einfach nur Canasta spielten. Wir überstanden den Abend, indem wir uns wie Langweiler benahmen – in der Hoffnung, nie wieder eingeladen zu werden, wenn wir so wenig sprachen.
    Doch allmählich gingen wir mit anderen Leuten lockerer um, obwohl wir schreckhaft waren, weil wir nicht mehr rund um die Uhr bewacht wurden. Konnte der Club uns zufällig aufspüren? Sollten wir die Kinder irgendwo unterbringen, wo es sicherer war? Wir beschlossen, dass wir eine Familie bleiben und nicht ohne die Kinder leben wollten.
    Wie jede entwurzelte Familie mussten wir entscheiden, wo wir einkaufen und arbeiten gehen, welche Art Freunde wir haben und wie wir uns amüsieren wollten. Wir hielten Ausschau nach Jobs und bemühten uns, trotz fehlender Bonitätsgeschichte Bonität zu erwerben.
    Wir vermissten unsere alten Freunde sehr, aber wir gewannen neue, wenn auch vorsichtig. Es waren Menschen, denen wir vertrauen konnten; dennoch stellten wir sie nicht auf die Probe und erzählten ihnen nie etwas von unserer Vergangenheit. Das war eine schreckliche Versuchung, die verhinderte, dass wir jemandem wirklich nahe sein konnten. Einmal sagte Helen zu mir: »Es ist schwer, mit Freunden und Kollegen nicht über unsere wahre Vergangenheit reden zu können. In unserer Welt leben jetzt nur noch vier Leute, nämlich wir.«
    Regelmäßig unternahmen wir Familienausflüge. Wir sprachen offen über unsere Probleme und Pläne, machten also dort weiter, wo die schöne Zeit auf der Ranch geendet hatte. Helen und ich arbeiteten, die Kinder gingen zur Schule. Wir wurden ein Team, und Helen, deren innere Stärke und Loyalität im Gefängnis immer wieder zum Vorschein gekommen war, entwickelte sich auf ihre Weise zu einer emanzipierten Frau. Jetzt bot
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