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Böse Freundin (German Edition)

Böse Freundin (German Edition)

Titel: Böse Freundin (German Edition)
Autoren: Myla Goldberg
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sie nicht für möglich gehalten, bis es überstanden war. Die Hündinnen halfen ihr. In den trüben, leeren Stunden vor Hucks Rückkehr hatte Celia auf dem Bett gelegen, eher scheintot als schlafend, getröstet von Bellas gleichmäßigen Atemzügen und Sylvies Wärme neben sich. Die beiden hatten Huck an der Wohnungstür in Empfang genommen und sich dann Celia zu Füßen gelegt, während sie Huck berichtete, woran sie sich erinnerte, das Gesicht in seine Armbeuge geschmiegt, als wollte sie ihre Worte nicht dem Licht aussetzen.
    Eigentlich hätten sie alle fünf – Celia, Djuna, Becky, Josie und Leanne – wie immer mit ihren jeweiligen Bussen nach Hause fahren sollen, doch an dem Tag hatten sie sich in den Kopf gesetzt, die Strecke zu laufen, ihr großes Geheimnis, das den ganzen Tag bestimmte. Die Grundschule von Jensenville lag in einem Waldgebiet an einer kurvenreichen, zweispurigen Landstraße ohne Gehweg, auf die sich zu Fuß nur die eine oder andere dem Untergang geweihte Beutelratte wagte. Um den Wald rankten sich zahlreiche Gerüchte. Angeblich barg er einen verlassenen Stall mit einem spukenden Pferdeskelett, einen stillgelegten Steinbruch, in dem sich gespenstisch glühendes Wasser gesammelt hatte, ein verrottetes Herrenhaus, bewohnt von einem Zauberer, der Kinder mit der Aussicht auf Süßigkeiten anlockte und dann mit seinem Gürtel züchtigte. Geschichten, die sie samt und sonders als unsinnig abgetan und dann Wort für Wort wiederholt hatten. Sie fürchteten den Wald und liebten den Kitzel der Furcht. Die Ripley Road zu Fuß entlangzulaufen war ein unvorstellbares Vergehen, das sie sich, einmal ersonnen, nicht mehr verwehren konnten.
    Celia und Djuna hatten sich gestritten, mit solch rasender Wut, dass Celia bei der Erinnerung daran auch nach einundzwanzig Jahren noch zusammenzuckte. Die Wucht ihres Schlagabtauschs hatte sie vor den anderen hergetrieben, um eine Biegung, vor und hinter sich nichts als Straße und Bäume. Auf dem Kiesstreifen am Straßenrand konnte man gerade eben zu zweit nebeneinandergehen, doch Djuna hängte Celia ab und lief in den Wald. Sie hatten sich so häufig über nichts und wieder nichts gestritten, dass die Ursache für diesen Zornesausbruch in Celias Erinnerung mit dem Knacken des Unterholzes verschmolz, durch das sie Djuna zu folgen versucht hatte. So vieles hätte anders ablaufen können. Wäre Celia denselben Pfad gegangen wie Djuna, hätte sie es vielleicht kommen sehen. Wäre Djuna an einer anderen Stelle in den Wald eingebogen, hätte sie der Gefahr vielleicht entkommen können. Hätten sie erst gar nicht miteinander gestritten, wären sie wahrscheinlich auf der Straße geblieben. In jedem dieser Fälle hätte sich der Nachmittag in nichts von zahllosen anderen unterschieden.
    Stattdessen sah Celia Djuna fallen. Eben war sie noch da und im nächsten Moment wie vom Erdboden verschluckt.
    Celia hätte rufen können, in die Stille hinein. Sie hätte stehen bleiben und warten können, dass Djuna sich aus dem Unterholz erhob. Vielleicht wollte sie Djuna eine Lektion erteilen. Vielleicht kam ihr der Gedanke, dass gerade ihr geheimster, schändlichster Wunsch in Erfüllung gegangen war. Der kindliche Verstand weiß nichts von Konsequenzen, ist immun gegen Logik und Weitsicht und verfügt über einen biblischen Sinn für Gerechtigkeit. Entsetzlicher als diese Ausreden war für Celia nur die Tat des Kindes, die sie zu erklären suchten. Als Djuna nicht wieder auftauchte und nichts von ihr zu hören war, machte Celia keinen Versuch, ihr zu Hilfe zu kommen. Sie ging auf demselben Weg durch das Dickicht zurück zur Straße, wo Josie, Becky und Leanne immer noch warteten. Sie sagte ihnen, Djuna sei zu einem Fremden ins Auto gestiegen, und sie hatten genickt wie ein Marionettentrio, ihr als erste von fünfzigtausend Kleinstadtbewohnern Glauben geschenkt.
    Celia hatte sich eine Reihe von Untergangsszenarien vorgestellt, die auf ihr Geständnis folgen konnten. Keines davon trat ein, nicht einmal annähernd. Huck dachte nicht daran, sie zu verlassen. Stattdessen wurde er in dem Augenblick, den sie gefürchtet hatte, nur sehr still. «Ach du meine Güte», sagte er wie ein Schulmädchen aus dem neunzehnten Jahrhundert, vor Überraschung ganz in sich gekehrt. Nach ein paar Sekunden war der Huck, den sie kannte, wieder da – der vernünftige Schnelldenker, darauf spezialisiert, alle Eventualitäten im Blick zu behalten –, doch im ersten Moment hatten Celias Worte ihn aus der Bahn
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