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Blutzeichen

Titel: Blutzeichen
Autoren: Blake Crouch
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Wieder wandert der blutrote Punkt auf das Augenlid.
    Plötzlich setzt sich der Junge auf.
    Mit den Fingerknöcheln klopft Luther zweimal gegen die Scheibe.
    Der siebenjährige Ben Worthington betrachtet den dunklen Schatten des Mannes am Fenster.
    Der Laserstrahl beleuchtet Bens Schlafanzughemd.
    In der blauen Dunkelheit sieht der Junge den leuchtenden roten Punkt auf seiner Brust, blickt dann wieder zu Luther, lächelt und erinnert sich.
    Auch Luther lächelt.
    Ben winkt Luther zu und klettert aus dem Bett. Durch herumliegende Legosteine läuft er auf Schlafsocken zum Fenster. Auf der linken Wange zeichnen sich Schlaffalten ab.
    »Hey!«, sagt er laut.
    Luther berührt mit dem Zeigefinger seine Lippen, während der Laserpointer zwischen Daumen und Mittelfinger herabbaumelt.
    Flüsternd verabreden der Junge und der Mann, sich an der Hintertür zu treffen.

11. Kapitel
     
    Vier Stunden später legte Horace das Manuskript in die Schublade zurück. Einen Moment lang saß er einfach nur völlig geschockt auf Andrews Stuhl. Wenn er dem Vorwort glauben durfte, dann war Andrew Thomas ein verdammt unglücklicher Mensch.
    Er stieg von der Galerie herab, band seine Stiefel wieder zu, zog seine Jacke an und trat hinaus in die einsetzende Dunkelheit des Nachmittags.
    Auf dem Weg zurück zu seinem Land Cruiser musste er unablässig über Orson Thomas und Luther Kite nachdenken und darüber, wie sie das Leben von Andrew Thomas zerstört hatten.
    Mitleid erwachte in ihm.
    Nachdem er mit all den schrecklichen Geschichten über Andrew Thomas aufgewachsen war, fiel es ihm schwer, dem Manuskript Glauben zu schenken. Vielleicht steckte es voller Lügen? Aber aus welchem Grund sollte ein Mann lügen, der hier in dieser Einöde und in scheinbarer Anonymität lebte? Was, wenn die Monster in Wirklichkeit Orson und Luther waren?
    Er rannte durch den Wald, seine Augen tränten vor Kälte.
    Horace lachte, als ihm die Idee kam.
    Doch als er den Land Cruiser schließlich erreichte, wusste er, was er tun musste, um sein Buch schreiben zu können.
    Wenn er das nächste Mal hierher kam, würde er direkt bis zu Andrew Thomas’ Hütte fahren, an die Tür klopfen und den vermeintlichen Serienmörder höflich um ein Interview bitten.

12. Kapitel
     
    Ben Worthington entriegelt das Schloss, während Luther ihn durch die Glasscheibe angrinst. Nachdem der Junge die Hintertür geöffnet hat, holt Luther seinen Arm hinter dem Rücken hervor und seine langen, schlanken Finger geben den Blick auf den begehrenswerten Laserpointer frei.
    »Deiner«, flüstert Luther.
    Der Junge tritt mit großen Augen über die Schwelle auf die Holzterrasse und greift mit seinen kleinen Fingern nach dem Gegenstand, der ihn seit dem Nachmittag am meisten beschäftigt hat.
    Luther legt seine rechte Hand sanft gegen Bens Hinterkopf und seine linke Hand gegen die Stirn des Jungen.
    »Du bist ein böser Junge, Ben«, sagt Luther, während er den kleinen Kopf um hundertachtzig Grad dreht.
    Die Wärme des Hauses umfängt ihn, als er die Hintertür zumacht und wieder zuschließt. Er steht in der Küche und hält den toten Jungen in seinen Armen. Der Linoleumboden unter seinen Füßen ist klebrig.
    In der Spüle türmt sich das Geschirr.
    Es riecht nach angebranntem Popcorn.
    Auf dem Küchentisch neben ihm stehen zwei fettige Frischhalteschüsseln, in denen noch die nicht aufgeplatzten Maiskörner kleben.
    Das Display der Ofenuhr zeigt 1:39 Uhr an.
    Er zögert, lauscht: Der gedämpfte Atem warmer Luft steigt murmelnd von Öffnungen im Boden auf. Alle fünfzehn Sekunden fällt ein Tropfen vom Wasserhahn in ein sich stetig füllendes Weinglas, in einem anderen Raum tickt kaum hörbar der Sekundenzeiger einer Uhr. Der Kühlschrank summt beruhigend. Als die Eismaschine neue Eiswürfel in einen Sammelbehälter fallen lässt, klingt es, als ob ein großer Eisberg von einem Gletscher ins Meer bricht.
    Luther kniet sich hin und verstaut den Jungen unter dem Tisch. Dann geht er hinüber ins Esszimmer, wendet sich nach rechts und geht unter einem großen Bogen hindurch ins Wohnzimmer.
    Eine üppige Polstergarnitur ist im Halbkreis um den eindeutigen Mittelpunkt des Raumes herum arrangiert: einen gigantischen Fernseher, dessen Satellitenlautsprecher in den Ecken so ausgerichtet sind, dass sie ein maximales Hörerlebnis ermöglichen. Zwischen zwei Kissen auf dem Boden steht verlassen eine dritte Frischhalteschüssel. Luther bückt sich, ergreift eine Hand voll Popcorn und stopft sie sich in den
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